Seite - 119 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

119 April 1872 historische Bilder, S.  160f.). ◼ 296 Spaß der „Fliegenden Blätter“] Gemeint ist die Karikatur- zeichnung „Moderne weibliche Roman-Figur“, in: Fliegende Blätter 44 (1866), Nr.  1088, S.  160. ◼ 306 Jupiter Tonans] „donnernder Jupiter“. ◼ 307–314 „Dise baucken … musici sein.“] Zitiert mit leichten orthographischen Abweichungen und einigen Auslassungen aus: Sebastian Virdung, Musica getutscht […], Basel 1511, S.  [23f.]. 24. WZ 1872, Nr. 76, 4. April ά–ς (Theater an der Wien. – Italienische Oper.) Verdi’s „Traviata“ mit Adelina Patti in der Hauptrolle überfüllte heute alle Räume des Theaters an der Wien mit einem enthusiasmirten Publicum. In der That war die Vorstellung eine ganz ausgezeichnete und wenn wir über Adelina Patti’s vollendete Leistungen als Sängerin zu dem, was wir schon über sie gesagt, diesmal kaum etwas beizufügen wüßten, so müssen wir um so nachdrücklicher hervorheben, daß sie sich in der Rolle der Violette auch als außerordentliche dramatische Darstellerin bewährte. Sie wußte der Gestalt der „Traviata“ einen eigenen rührenden Zauber zu geben und die meisterhafte pathologische Darstellung des Uebels, dem Violette zuletzt erliegt, war von einer erschütternden Wahrheit, welche peinlich geworden wäre, hätte Adelina Patti nicht mit feinstem Takt überall eben das Rührende hervorzu- heben gewußt. Von der ersten flüchtigen Mahnung während des Balles, die bald mit einem leicht hingeworfenen „Sto meglio“ überwunden ist, bis zur langen Ago- nie des letzten Actes war die Steigerung eine meisterhaft berechnete. Während des Duo’s mit Giorgio Germont fühlte man deutlich, wie das Leben des beklagens- werthen Geschöpfes im Innersten gebrochen wird – es war der Wendepunkt. Vor- trefflich war die fieberhafte Aufregung und Gereiztheit in der folgenden Scene mit Alfredo. Das Publicum kannte sich im Wortverstande nicht vor Enthusiasmus – es wäre der Mühe werth gewesen zu zählen, wie oft sie gerufen wurde. Beim Auftre- ten flog ihr aus dem Publicum ein riesiges Blumenbouquet zu, ein ähnliches fiel zum Schlusse des ersten Actes. Den Alfredo sang Herr Nicolini ganz ausgezeichnet schön – eine gewisse Neigung zum „Loslegen“ ist jedoch eines solch’ vorzüglichen Künstlers nicht eben würdig, obwohl gerade solche Proben einer kräftigen Lunge sofort hunderte von applaudirenden Händen in Bewegung zu setzen pflegen. Auch wollte uns nicht recht munden, daß Nicolini in den Honigbrei seiner Cavatine zu Anfang des zweiten Actes noch eine starke Zuthat von Zucker mischte. Das Trinklied im ersten Acte sang er und die Patti so ganz ausgezeichnet, daß sich das Publicum die Wiederholung nicht nehmen ließ. Sehr würdig und edel sang Sgr. Graziani den Vater Alfredo’s. Die übrigen Beschäftigten verdienen alles Lob. Der ganz ausgezeichneten Leistung des Orchesters unter Sgr. Arditi’s Direction muß mit besonderen Ehren gedacht werden, auch die Chöre hielten sich sehr wacker. Das einzige Leiden bei so viel Genuß sind die endlos langen Zwischenacte in der Gluthitze eines übervollen Hauses. 5 10 15 20 25 30