Seite - 305 - in August Wilhelm Ambros - Musikaufsätze und Rezessionen 1872-1876

305 November 1872 10 15 20 25 30 5 werk unser nennen dürfen. Das Rieseninstrument ist eine Arbeit des berühmten Ladegast aus Weißenfels, dessen Orgel im Merseburger Dome manchem Kunst- freunde in Erinnerung sein dürfte. So großen Rufes die Merseburger Orgel genießt, sie dürfte von der Wiener überboten sein, welche in der That, was Wohlklang, Kraft, Menge der (durch 52 klingende Stimmen zu bewirkenden) Klangfärbungen, vortreffliche Spielart, Solidität und Eleganz des Baues betrifft, gar nichts mehr zu wünschen übrig läßt. Außerdem ist eine Menge der sinnreichsten durch treffliche Mechanik bewirkten Vorrichtungen daran, von denen sich die ehemaligen Orgler und Orgelbauer nichts träumen ließen, als: Echoeffecte, Crescendo, Decrescendo, – Apparate, um von verhauchenden Tönen, von wahren „Seraphs-Klängen“, die Tonkraft bis zu donnernder Stärke steigern zu können. Durch die sogenannten Collectiv- und Combinationstritte wird zudem beim Registerziehen jede fremde Hilfe für den Spieler entbehrlich. Das Werk hat drei Manuale zu 54 Tasten, ein Hauptwerk, Oberwerk und Echowerk, ein Pedal von 30  Tasten, – die Windladen sind für die Manualstimmen Schleifenladen, für die Pedalstimmen Springladen, die Pneumatik ist in ihrer Einrichtung in einer wahrhaft erstaunlichen Weise con- struirt und besiegt glänzend gewisse, den Orgel bauern bekannte technische Schwierigkeiten der Windeinströmung u. s. w. Die Uebergabe durch den persön- lich anwesenden Künstler an eine Commission der Gesellschaft, welcher mehrere der hiesigen Musikautoritäten beigezogen waren, erfolgte am 6.  November um 2  Uhr Nachmittags. Die Commission erkannte im diesfalls aufgenommenen Protokoll die hohen Verdienste Ladegasts, der sich durch sein Meisterwerk in Wien ein wahres Denkmal gesetzt hat, in sehr warmen Worten an. Nächsten Frei- tag wird das herrliche Instrument dem Publicum durch ein Orgelconcert vor- geführt werden. Erläuterungen 8–23 So großen Rufes … Windeinströmung u.  s.  w.] Die Beschreibung stützt sich auf die von der GdM herausgegebene Broschüre Die Orgel im grossen Saale der Gesellschaft der Musikfreunde. Erbaut von Friedrich Ladegast, Wien 1872. ◼ 28–30 Nächsten Freitag … vorgeführt werden.] → Nr.  79. 77. WZ 1872, Nr. 260, 12. November Feuilleton. Musikalisches. Von A. W. Ambros. Die Woche brachte zwei, oder wenn man die Uebernahme und Probe der pracht- vollen Ladegast’schen Orgel im Musikvereinssaale mitrechnen will, drei musikali- sche Ereignisse, nämlich, nebst der erwähnten Probe, das erste Gesellschafts concert und Herrn v. Bülows Chopin-Abend. Im Gesellschaftsconcert führte der Nachfol- ger Rubinsteins den leitenden Dirigentenstab und er führte ihn wie ein rechter