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und künstliche Intelligenz, die auf ihnen aufbaut, müssen öffentlicher Besitz bleiben
(Morozov 2015). In der Tat weisen Infrastruktur und Daten gemeinsame Merkmale
auf. Für Daten gilt genauso wie etwa für Verkehrs- oder Kommunikationsnetze,
dass sie mehrfach benutzt werden können, ohne dass sie dadurch verbraucht wer-
den. „Daten werden zu einem universalen Enabler: allgemeine Zweckbestimmung,
große Mengen, hohe Fixkosten, keine variablen Kosten. Wie Straßen oder Tele-
kommunikation werden sie Infrastruktur“ (Evans 2018, S. 141).
Andere Autoren kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen, indem sie
Massendaten mit öffentlichen Gütern vergleichen, die nicht in Konkurrenz zu
anderen stehen, von deren Gebrauch niemand ausgeschlossen werden kann und
die von mehreren Nutzern gleichzeitig gebraucht werden können. Auch hier
spielt der Gesetzgeber bzw. der Staat eine entscheidende Rolle: Zu seinen Auf-
gaben könne es gehören, den „diskriminierungsfreien Zugang aller Menschen
zu geregelten Bedingungen sicherzustellen und den Markt ordnungspolitisch zu
rahmen“ (Schlüter 2017, S. 2). Damit wird der Datenzugang, vielleicht sogar
die Sicherung der Datenqualität, zu einem Teil der Daseinsvorsorge des Staa-
tes definiert wie Bildungswesen, Sicherheitsbehörden, Wasser- und Energie-
versorgung oder das Gesundheitswesen. Wie bei den Netzen der Energie und
Telekommunikation müssten private Datenbanken dann nach definierten Regeln
auch anderen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, selbst wenn sie dort selbst
keine Daten eingestellt haben.
Eine private Lösung, aber mit Umverteilungscharakter, schlägt demgegen-
über Oxford-Professor Mayer-Schönberger vor. Um neuen Anbietern einen
Marktzugang gegenüber den großen Playern und damit mehr Wettbewerb zu
ermöglichen, sollen Letztere einen Teil ihrer Daten mit Wettbewerbern tei-
len müssen. Bei Erreichen eines Marktanteils von beispielsweise zehn Prozent
müssen sie einen bestimmten Anteil ihrer zufällig ausgewählten Daten anderen
Wettbewerbern zur Verfügung stellen. Dieses Data-Sharing soll progressiv wie
bei der Einkommensteuer in Relation zum erreichten Marktanteil gestaltet wer-
den (Mayer-Schönberger und Ramge 2018). Interessanterweise greift auch eine
Kommission um den Düsseldorfer Wettbewerbsökonomen Justus Haucap diesen
Vorschlag einer Daten-Sharing-Pflicht in einem Gutachten für das Bundeswirt-
schaftsministerium auf (Schweitzer et al. 2018). Erste Praxisbeispiele sehen die
Befürworter dieses Modells bereits in der Versicherungsbranche und verweisen
darauf, dass große Versicherungen kleineren Marktteilnehmern Hinweise geben
müssen, wie sie ihre Tarife sinnvoll schneiden können (Thomas 2017).
Zweifelsohne ließe sich auch eine Kombination aus beiden Konzepten vor-
stellen, zum Beispiel, indem Massendaten aus bereits bestehenden öffentlichen
Infrastruktureinrichtungen den Grundstock für eine neuartige Big Data-Infrastruktur
1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst Müller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote für eine Verständigung über den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: Einführung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Überlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, Künstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: Annäherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang über die öffentliche Einschätzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: ‚Big Brother‘ in der Kampagne gegen die Volkszählung 1983 16
- 1.2.2 ‚Big Brother‘ reloaded: Die Erzählung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die Erzählung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die Erzählung vom Verlust der Privatsphäre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die Erzählung vom digitaltotalitären Staat 23
- 1.2.6 Die Verselbstständigung der Maschine: Die Erzählung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die Erzählung von der Weltherrschaft der ‚Frightful 5‘ 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des Bürgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souveränen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: Einführung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und Mobilität: Bürgerschreck und Hoffnungsträger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der Bürger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 Folgeabschätzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (‚Wollen‘) 146
- 3.5 Verhalten (‚Handeln‘) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (‚Neue Paradigmen‘) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: Bürgerschreck und Hoffnungsträger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses über Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Überblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Überblick 201
- Anhang 207