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Nicht nur Wirtschaftsunternehmen, sondern auch Behörden und staatliche
Einrichtungen können die Daten und Informationen ĂŒber ihre BĂŒrger miss-
brauchen. Die Sozialkreditberichte, wie sie aktuell in China bereits getestet wer-
den, sind ein Beispiel dafĂŒr. Hier ist es der Staat, der Daten sammelt, wer sich
wohin bewegt hat, mit welchem Verkehrsmittel, wer dabei zu schnell gefahren
ist oder bei Rot die StraĂe ĂŒberquert hat. Ăbersetzt wird das ebenfalls in einen
Punktestand (âSocial Scoringâ), der bei der Vergabe von Jobs herangezogen
wird, die Festlegung von Kreditkonditionen bestimmen und auf Dating-Platt-
formen angegeben werden kann. Zudem kommen Konzepte in Betracht, die BĂŒr-
ger bei unerwĂŒnschtem Verhalten zu bestrafen, indem ihnen z. B. der Kauf von
LuxusgĂŒtern oder Auslandsaufenthalte verboten werden. Aber wie erfolgt die
Bewertung der Daten und damit die Ăbersetzung in ein Punktesystem? WĂ€hrend
dies bei VerkehrsverstöĂen noch relativ objektiv möglich ist, wird es schwie-
rig, wenn auch andere Datenquellen herangezogen und ausgewertet werden â
z. B. wer wie lange das Licht anhat, wer sich mit wem getroffen, welche Filme
geschaut, welche Produkte gekauft, an welchen Veranstaltungen teilgenommen
oder welche Partei gewÀhlt hat. Auch daran könnten wieder Belohnungs- aber
auch Bestrafungssysteme geknĂŒpft werden. So könnten z. B. das Anmieten einer
Wohnung, der Zugang zu Verkehrsmitteln, bestimmte Sozialleistungen usw. ein-
geschrÀnkt oder gÀnzlich unterbunden werden.
Die informationelle Ăberwachung und digitale Bevormundung können im
Zuge von Big Data und Data Analytics zu einer starken Einflussnahme auf
die Gesellschaft und zu einer Verschiebung ihrer Strukturen fĂŒhren (Bendel
2018b). Es drohen der âGlĂ€serne BĂŒrgerâ, d. h. der Verlust von PrivatsphĂ€re
und die. Manipulation von Denken und Handeln der Menschen mittels gezielter
Anreiz- und Bestrafungsmechanismen. Alles in allem ist die Dystopie ein
merklich eingeschrÀnktes Maà an Freiheit. der Menschen, ihr Leben nach den
eigenen Vorstellungen und WĂŒnschen zu gestalten.18
18Daneben besteht bei jedem vernetzten und datenbasierten System das Risiko von
Fehlern, Hackerangriffen und Datendiebstahl. So wurde z. B. in China ein auf einem
Bus angebrachtes Werbegesicht vom System als FuĂgĂ€nger wahrgenommen, und die
betreffende Person wurde in der Folge beschuldigt, eine rote FuĂgĂ€ngerampel ĂŒberquert
zu haben. Die Konsequenz war eine Aufforderung zur Strafzahlung. Was in diesem Fall
eher humorvoll zu nehmen ist und ohne schwerwiegende Folgen blieb, kann grundsÀtzlich
fĂŒr den BĂŒrger gravierende Auswirkungen haben, wenn datenbasierte Systeme auf Basis
nicht mehr nachvollziehbarer Algorithmen automatisierte Folgehandlungen einleiten. Dar-
ĂŒber hinaus können Hackerangriffe einzelne Anwendungen oder ganze Systeme lahmlegen.
2.5 Utopien und Dystopien
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207