Page - 25 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
Image of the Page - 25 -
Text of the Page - 25 -
© Waxmann Verlag GmbH. Nur für den privaten Gebrauch. 25
Kommunikations- und Repräsentationsmitteln“ bezeichnet.77 Kultur kommt sowohl
eine Orientierungsfunktion als auch eine Identitätsfunktion zu, innerhalb einer Kultur
werden „immer auch Differenzen – und damit Identitäten – diskursiv verhandelt.“78
Annedore Prengel fasst in „Übereinstimmung mit weiteren Wissenschaftlern (z. B.
Gramsci, Haug, Metscher, Bourdieu, Clarke, Willis, Claessens, Greverus)“79 zusam-
men, welche Dimensionen dieses Kulturverständnis impliziert:
„Kultur wird zwar auf symbolische Bedeutungen begrenzt, aber die Symbolsysteme
des materiellen Lebensprozesses, des Alltagslebens, sind Teile der Kultur. Kultur steht
damit in enger Beziehung zu Produktionsweisen und Klassenlagen. Sie ermöglicht
Verständigung, Handlungsorientierung und Selbstvergewisserung. Kulturen sind in
ständiger Veränderung begriffen, das gilt auch für Kulturen, die auf den ersten Blick
über lange Zeit unverändert zu sein scheinen.“80
Clifford Geertz betont, dass der Mensch nur aufgrund des eigenen Interpretationsver-
ständnisses anderen Menschen und Dingen entgegentreten und diese ausschließlich im
je eigenen Interpretationssystem verstehen kann. Dieser Interpretationsrahmen wird
durch die Kultur bestimmt, die der Horizont des Denkens und Handelns des Menschen
ist, die kulturellen Gewohnheiten haben sich zu vom Menschen nicht mehr bewusst
registrierten Verhaltensweisen entwickelt.
„Becoming human is becoming individual, and we become individual under the
guidance of cultural patterns, historically created systems of meaning in terms of which
we give form, order, point, and direction to our lives. […] Man is to be defined neither
by his innate capacities alone, as much of contemporary social science seeks to do, but
rather by the link between them, by the way in which the first is transformed into the
second, his generic potentialities focused into his specific performances.“81
„To be human here is thus not to be Everyman; it is to be a particular kind of man,
and of course men differ.“82 Die Kultur, die dem Menschen durch Zeichensysteme
vermittelt wurde, legt zuerst die Normen und Werte fest, anhand derer der Mensch
zu Beginn andere Kulturen wahrnimmt. Die Kultur wird von eigenen Erfahrungen,
dem spezifischen Kontext der Mitglieder beeinflusst und individuell interpretiert, je
nach Situation können die kulturellen Bedeutungen gewählt werden. Dadurch ent-
77 Auernheimer, Georg (1989): Kulturelle Identität – ein gegenaufklärerischer Mythos?.
Das Argument 31(3), 381–394, 386.
78 Auernheimer, Georg (72012): Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft [1990: Einführung in die Interkulturelle Erziehung],
78.
79 Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt, 84.
80 Ebd.
81 Geertz, Clifford (1973): The interpretation of cultures. Selected essays. New York: Basic
Books, 52.
82 Ebd., 53.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279