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kussionsgruppen trafen. „The ‚religious understanding‘ of the thesis title is both the
content in terms of what the children understand about religion and about God, and the
process by which they come to their understanding within the context of encounter.“176
Die Kinder bekamen Spielkarten mit Begriffen, die sie der Reihe nach aufdeckten und
über die sie sich anschließend austauschen sollten. Des Weiteren wurde eine Gruppe
gebeten, Fragen für weitere Gruppengespräche zu entwickeln, die im Anschluss
auch diskutiert wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass
für die Kinder religiöse Pluralität selbstverständlich ist. Unterschiede wurden von
den Kindern benannt, allerdings wurden diese nicht immer positiv aufgefasst, wobei
Julia Ipgrave den Minderheitenstatus der befragten Gruppe innerhalb ihrer Peers als
dafür verantwortlich erwägt. Auf ihre eigene Religion empfanden die Kinder einen
gewissen Stolz. Die Kinder zeigten kreatives theologisches Denken und entwarfen
neue Theologien, wie der Gott einer pluralen Welt verstanden werden könnte.177 Das
religiöse Denken der Kinder scheint flexibel und manchmal inkonsistent zu sein.178
Im Projekt von Friedrich Schweitzer und Albert Biesinger „Gemeinsamkeiten
stärken – Unterschieden gerecht werden“ wurden mit Kindern im Grundschulalter
Gruppeninterviews zur konfessionellen Kooperation in der Schule durchgeführt.179 In
den Gesprächen mit den Kindern wurden wenige Vorurteile gegenüber der jeweils
anderen Religion sichtbar. Deutlich wurde eine Unterteilung in eine Eigen- und eine
Fremdgruppe, wobei das Verständnis der unterschiedlichen Gruppen mit Problemen
behaftet sein konnte, da die Entgegensetzungen häufig in Muslime und Deutsche ein-
geteilt wurden. Religiöse Differenzen wurden als nationale Unterschiede ausgedrückt,
indem Muslime als „Türken“ bezeichnet wurden, die den „Deutschen“ gegenüberste-
hen. Daraus könnten sich in späterer Zeit Vorurteile ergeben, wenn die Einteilungen
176 Ipgrave, Julia (2002): Inter faith encounter and religious understanding in an inner city
primary school. PhD thesis, University of Warwick 2002, 8.
177 Vgl. Ipgrave, Julia (2013): The Language of Interfaith Encounter. Religion & Education
40(1), 35–49, 43.
178 Ebd., 37.
179 Die Ergebnisse der Studie liegen in zwei Bänden vor. Schweitzer, Friedrich/Biesinger,
Albert (zusammen mit Boschki, Reinhold/Schlenker, Claudia/Edelbrock, Anke/Kliss,
Oliver/Scheidler, Monika) (2002): Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht
werden. Erfahrungen und Perspektiven zum konfessionell-kooperativen Religionsunter-
richt. Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder/Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus; Schweitzer,
Friedrich/Biesinger, Albert/Conrad, Jörg/Gronover, Matthias (2006): Dialogischer Reli-
gionsunterricht. Analyse und Praxis konfessionell-kooperativen Religionsunterricht im
Jugendalter. Freiburg i. Br.: Herder. Zusammenfassung der Ergebnisse vgl. Conrad, Jörg
(2009): „Als Evangelischer denkt man irgendwie, irgendwie ein bisschen weniger. Oder
halt mehr oder weniger gleich“ – Wie Kinder konfessionelle Differenz wahrnehmen, ver-
stehen und mit ihr umgehen. In: Bucher, Anton A./Büttner, Gerhard/Freudenberger-Lötz,
Petra/Schreiner, Martin. (Hg.): Jahrbuch der Kindertheologie: „In den Himmel kommen
nur, die sich auch verstehen“. Wie Kinder über religiöse Differenz denken und sprechen,
Bd. 8. Stuttgart: Calwer, 60–70, 68.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279