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Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter“205 kamen die Kinder selbst zu
Wort, wodurch die subjektive Sicht der Kinder sowie ihre Konstruktionen religiöser
Differenz deutlich werden sollte. Es wurden 140 Kinder, 71 Mädchen und 69 Jungen
im Durchschnittsalter von vier Jahren und neun Monaten, befragt. 65 christliche Kin-
der, 49 muslimische Kinder und 20 Kinder ohne Religionszugehörigkeit nahmen an
der Studie teil. Den drei Erhebungszeitpunkten lagen unterschiedliche Schwerpunkt-
setzungen zu Grunde, wobei vier Aspekte interreligiöser Bildung beleuchtet werden
sollten: Wissen, Erfahrungen/Erlebnisse, Einstellungen und die Sprachfähigkeit. Um
diese Aspekte zu erheben, wurden Gruppeninterviews durchgeführt, die durch Impulse
wie das Zeigen von christlichen oder islamischen Symbolen sowie von Bildern oder
einer Erzählung, wie beispielsweise über die Gegebenheit unterschiedlichen Essver-
haltens, eingeleitet wurden. Die Studie stellte das Christentum und den Islam in den
Mittelpunkt, indem ausschließlich religiöse Symbole aus diesen beiden Religionen
gezeigt wurden.
Um das Wissen und die Einstellungen der Kinder zu eruieren, wurden mit maximal
drei Kindern Gespräche zwischen zehn und zwanzig Minuten geführt. In der Kategorie
Wissen wurden Kindern anhand von Fotos oder Bildern Fragen gestellt, was zu sehen
war, ob sie etwas Ähnliches schon einmal gesehen, selbst schon einmal erlebt oder
praktiziert hätten.206 Kindern wurden Karten mit Zeichnungen verschiedener Nahrungs-
mittel gezeigt und sie wurden gefragt, welche drei sie gerne essen würden und welche
nicht. Der Verzicht auf Schweinefleisch wurde explizit in Form eines Berichts aus einem
anderen Kindergarten genannt, wobei im Rahmen eines Rollenspiels unter Verwendung
einfacher Spielfiguren die Kinder symbolisch dargestellt wurden. Im dritten Gesprächs-
abschnitt wurden die Kinder nach den von ihnen gewünschten Sitznachbarn sowie nach
ihrem Verhalten in Konfliktsituationen befragt. Leitfragen waren: Was machst du? Was
machen die anderen Kinder?207 Um über das Erleben der Kinder etwas zu erfahren,
wurden zehn- bis zwanzigminütige Gespräche mit zwei Kindern beziehungsweise
Einzelgespräche geführt. Die Gespräche wurden mit einer Frage nach Ostern begonnen.
Es wurde versucht, die interreligiöse Dimension zu eröffnen, indem den Kindern von
anderen Kindern, die von Allah bzw. Gott erzählten, berichtet wurde. Die Auswertung
der Transkripte folgte einer inhaltsanalytischen Vorgehensweise.
Die Untersuchung verdeutlichte, dass sich Kinder zu interreligiösen Fragen und
Zusammenhängen selbstständig Gedanken machen. Viele der 140 Kinder hatten
Interreligiöse und interkulturelle Bildung im Kindesalter, Bd. 5. Münster/New York:
Waxmann.
205 Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich/Biesinger, Albert (Hg.) (2010): Wie viele Götter
sind im Himmel?.
206 Vgl. Dubiski, Katja/Essich, Ibtissame/Schweitzer, Friedrich/Edelbrock, Anke/Biesinger,
Albert (2010): Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter. Befunde aus der empiri-
schen Untersuchung im Überblick. In: Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich/Biesinger,
Albert (Hg.): Wie viele Götter sind im Himmel?, 23–38, 26.
207 Ebd., 27.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279