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geringes religiöses Wissen, allerdings nahmen bereits Fünfjährige die religiöse Plu-
ralität der Gesellschaft wahr und hatten Interesse an ihr, was einzelne Gesprächsaus-
schnitte zeigten. Ein Teil der Kinder wusste über die Existenz religiöser Unterschiede
Bescheid, wobei sich die teilweise begrenzten Kenntnisse mit Orientierungsfragen
verbanden.208 „Immer wieder wird deutlich, dass die Kinder solche Orientierungsfra-
gen selbstständig bearbeiten und zu beantworten suchen, dass die Ergebnisse mitunter
aber durchaus verwirrend oder unbefriedigend bleiben, wenn man sie religionspäd-
agogisch betrachtet.“209 Kinder nahmen spontan Gruppenzuordnungen und soziale
Kategorisierungen vor, wobei Religionszugehörigkeit und Nationalität vermischt wur-
den. „Höchst selten ist die Bezeichnung religiöser Unterschiede als religiös. Typisch
sind vielmehr Entgegenstellungen – Oppositionen zwischen ‚wir‘ und ‚ihr‘, die sich
nicht zuletzt an religiöse Vorstellungen anschließen, ohne dass die Zusammenhänge
den Kindern wirklich klar zu sein scheinen.“210 Ein Zugang, um Zusammenhänge
zwischen Wissen und Einstellungen zu erheben, war die Methode des Rollenspiels,
durch die sich Kinder in die Situation versetzen konnten, wodurch der interpretative
Rückschluss auf die Einstellungen der Kinder schwierig war.211 Bei den Kindern zeig-
ten sich sowohl „Offenheit und Interesse am Anderen als auch Zurückhaltung, Abwehr
und Distanzierung. Äußerungen von Unverständnis oder Ablehnung fanden sich dabei
eher bei Kindern, die mit der jeweils anderen Gruppe keine konkreten, ihnen bekannten
Personen verbinden können.“212 Dubiski, Essich, Schweitzer, Edelbrock und Biesinger
halten am Ende des Werkes „Wie viele Götter sind im Himmel“ zusammenfassend fest,
„dass die Befunde zur Frage einer religiösen Differenzwahrnehmung im Kindesalter
schon im Blick auf den Elementarbereich zahlreiche pädagogische oder religionspäda-
gogische Herausforderungen aufwerfen“213 und es keinen erkennbaren Grund für eine
Ausgrenzung dieses Aspekts gibt. Wenn auf die Unterschiede eingegangen, die Fragen
der Kinder ernst genommen und eine Antwort gegeben beziehungsweise ein durch die
Frage angestoßener gemeinsamer Suchprozess initiiert wird, bieten sich Chancen für
ein gelungenes Miteinander und Voneinanderlernen, wohingegen Missverständnisse
208 Dubiski, Katja u. a. (2010): Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter. Eine
qualitativ-empirische Untersuchung mit Kindern im Alter zwischen 4 und 6 Jahren. In:
Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich/Biesinger, Albert (Hg.): Wie viele Götter sind im
Himmel?, 122–194, 187.
209 Ebd. Offen bleibt, was es bedeutet, dass die Ergebnisse religionspädagogisch unbefriedi-
gend sind.
210 Ebd., 189.
211 Dubiski, Katja u. a. (2010): Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter. Befunde.
In: Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich/Biesinger, Albert (Hg.): Wie viele Götter sind
im Himmel?, 23–38, 31.
212 Ebd., 33.
213 Dubiski, Katja u. a. (2010): Religiöse Differenzwahrnehmung im Kindesalter. Eine
qualitativ-empirische Untersuchung. In: Edelbrock, Anke/Schweitzer, Friedrich/Biesin-
ger, Albert (Hg.): Wie viele Götter sind im Himmel?, 122–194, 194.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279