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viele Kinder nicht davor, die andere Gemeinschaft als negativ und vorurteilsbelastet
wahrzunehmen.243
Weitere Studien von Connolly mit fünf- bis sechsjährigen Kindern in einer
Grundschule244 in England zeigten, dass Mädchen mit heller Hautfarbe ein Gefühl
für Weiblichkeit und Attraktivität durch negative und stereotype Vergleiche mit süd-
asiatischen Mädchen vornahmen. Ähnlich tendierten afrokaribische und Jungen mit
heller Hautfarbe dazu ihre eigene Männlichkeit im Vergleich mit südafrikanischen
Jungen zu betonen, die sie als schwach und feminin ansahen.245 In den Forschungen
wurden verschiedene Motivationen festgestellt, warum Kinder andere ausschließen.
Dies muss nicht immer aufgrund negativer Vorurteile anderen gegenüber erfolgen,
sondern kann auch eine starke Präferenz der eigenen Gruppe bedeuten. Dies zeigt sich
bei jungen protestantischen und katholischen Kindern in Nordirland, die eine klare
Präferenz der Kultur und Tradition ihrer Bezugsgruppe ohne negative Einstellungen
gegenüber anderen aufweisen.246
Zusammengefasst geben die Studienergebnisse von Connolly zu bedenken, dass
das Nichtthematisieren der Unterschiede einer anderen Gruppe auch bedeuten kann,
dass diese Unterschiede für die Kinder momentan nicht so wichtig sind, obwohl sie
sich dieser bewusst sind. Kinder sind fähig, Gruppen voneinander zu unterscheiden
und Konzepte zu gewissen Gruppen von Menschen zu bilden, falls in ihrem Umfeld
Meinungen über diese vorherrschen. Kinder zeigen oftmals eine starke Präferenz
der eigenen Gruppe, wie es sich bei den jungen protestantischen und katholischen
Kindern, ebenso wie in der Studie in England zeigt, was aber nicht mit negativen
Einstellungen anderen gegenüber einhergehen muss. Die Untersuchungsergebnisse
sprechen dafür, im Forschungsdesign keine Begriffe zu verwenden, die Religionen
kennzeichnen, sondern religiöse Feiern, Erfahrungen oder Symbole als Ausgangs-
punkt für Gespräche heranzuziehen.
Aufgrund der Bedeutung des Kontextes, sind die Ergebnisse nicht direkt auf andere
Kontexte übertragbar, weshalb Studien diesbezüglich in unterschiedlichen sozialen und
gesellschaftlichen Kontexten notwendig sind. Die Bedeutung des Kontextes für das
Verständnis der Einstellungen und des Verhaltens der Kinder wird betont: „The nature
and forms taken by racism and ethnic divisions vary enormously from one context to
the next and also at any specific time within a particular context […].“247 Zudem hebt
Paul Connolly die Einflüsse der Art des Untersuchungsdesigns und der Untersuchungs-
durchführung auf die Ergebnisse hervor. Ein kindgemäßes Untersuchungsdesign, das
nicht von Begrifflichkeiten oder der Erfahrungswelt der Erwachsenen bestimmt ist, ist
Voraussetzung, um die Einstellungen und Erfahrungen der Kinder entsprechend wahr-
243 Vgl. ebd., 48f.
244 Im Originaltext wird der Begriff „primary school“ verwendet.
245 Vgl. Connolly, Paul (2008): Positive identities may lead to negative beliefs. In: Brooker,
Liz/Woodhead, Martin (Hg.): Developing Positive Identities, 42.
246 Ebd.
247 Connolly, Paul (2009): Developing programmes, 5.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279