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pädagogischen Rahmen erleben, der von Hierarchien geprägt ist325 und Kinder auf
„Schutz, Versorgung und Unterstützung“326 durch Erwachsene angewiesen und somit
von diesen abhängig sind. Alle Forschungsprozesse, bei denen Interaktionen mit Kin-
dern stattfinden, sind Austauschbeziehungen, die
„als soziale Beziehungen immer auch Machtanteile enthalten und Effekte des Ein-
mischens auf das ausstrahlen, was gehandelt bzw. kommuniziert werden soll. Je
nachdem, welches Verständnis, Vertrauen und welche Deutung die angesprochenen
Subjekte der Person und den Intentionen der InterviewerInnen entgegenbringen (Kon-
textualisierung, Situationsdeutung), werden ihre Thematisierungsbereitschaft und ihre
Antworten in größeren oder geringeren Nuancen variieren.“327
Die Transparenz und Anerkennung der vorhandenen Hierarchie kann zu einem ehrli-
chen Forschungsprozess beitragen. Annedore Prengel fragt „nach einer Möglichkeit,
hierarchische Überlegenheit und Unterlegenheit im Kontext von Egalität und Hete-
rogenität demokratiekompatibel anzuerkennen.“328 Auch wenn qualitativ-empirische
Studien in einem partnerschaftlichen Verhältnis in einer wertschätzenden, anerken-
nenden Atmosphäre stattfinden, bleibt Hierarchie vorhanden, die den Gesprächsver-
lauf und die Rollen der Gesprächspartnerinnen und -partner beeinflusst.329 Dieser Ein-
fluss ist als möglicher Faktor für das Verhalten während des gesamten Forschungs-
und Auswertungsprozesses zu berücksichtigen. Eine Forschungssituation wird immer
asymmetrisch bleiben, da die Personen mit unterschiedlichen Zielen und mit unter-
schiedlichem Vorwissen in Interaktion treten. Die Forschenden bestimmen meistens
das Setting der Forschungssituation, was sich auf das Machtverhältnis zwischen den
beteiligten Personen auswirken kann. Im Anerkennungsverhältnis lässt sich Macht nie
vollkommen vermeiden, denn auch wenn eine forschende Person eine andere Person
als jemanden anerkennt, beispielsweise als Kind, gesteht sie sich selbst die Macht zu,
dieses anzuerkennen, d. h. das Kind als Kind anzuerkennen, und stellt sich in diesem
Vollzug über das Kind. Bezogen auf die Machtdimension der Anerkennung330 gilt es,
325 Vgl. Fuhs, Burkhard (2012): Kinder im qualitativen Interview. In: Heinzel, Friederike
(Hg.): Methoden der Kindheitsforschung, 80–103, 91.
326 Zeiher, Helga (1996): Von Natur aus Außenseiter oder gesellschaftlich marginalisiert?
Zur Einführung. In: Zeiher, Helga/Büchner, Peter/Zinnecker, Jürgen (Hg.): Kinder als
Außenseiter?, 7–27, 8.
327 Hülst, Dirk (2012): Das wissenschaftliche Verstehen von Kindern. In: Heinzel, Friederike
(Hg.): Methoden der Kindheitsforschung, 52–77, 67.
328 Prengel, Annedore (2005): Anerkennung von Anfang an. In: Geiling, Ute/Hinz, Andreas
(Hg.): Integrationspädagogik im Diskurs, 22.
329 Vgl. Heinzel, Friederike (2012): Qualitative Methoden der Kindheitsforschung. Ein
Überblick. In: Heinzel, Friederike (Hg.): Methoden der Kindheitsforschung, 22–35, 29.
330 Vgl. Balzer, Nicole/Ricken, Norbert (2010): Anerkennung als pädagogisches Problem.
Markierungen im erziehungswissenschaftlichen Diskurs. In: Schäfer, Alfred/Thompson,
Christiane (Hg.): Anerkennung. Paderborn/München/Wien/Zürich: Ferdinand Schöningh,
35–87, 63–72.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279