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92 according to gender, time and place, cultural, political, religious, and professional
backgrounds.“441
In diesem Zitat von Corbin und Strauss wird deutlich, dass es sich immer um von
Personen interpretierte Realität handelt, die entdeckt werden kann. Nicht das Ereignis
selbst ist der Gegenstand der Studie, sondern die Bedeutungen, die die jeweiligen Per-
sonen, ausgehend von deren Biographien und Erfahrungen, diesem beimessen. „Beim
Entwickeln einer Grounded Theory versuchen wir, so viel wie möglich von der Kom-
plexität und der Bewegung in der wirklichen Welt einzufangen, wobei wir wissen,
daß wir niemals in der Lage sind, alles zu erfassen.“442 Grundlegend in der Grounded
Theory ist das „Konzeptualisieren der Daten“.443
„Kategorien entstehen im Laufe des Prozesses der konzeptualisierenden Analyse der
Daten. Sie werden weniger zu irgendeinem Zeitpunkt der Datenanalyse definiert im
Sinne von festgeschrieben, sondern entwickeln sich durch das Konzeptualisieren und
Kodieren der Daten, durch das Ordnen der Kodes und die zunehmende Aufhellung
ihrer Beziehungen zueinander.“444
Kategorien können eine Vielzahl an Kodes zusammenfassen, wobei es ihnen möglich
ist, auch widersprüchliche Hypothesen und Varianten zu integrieren, wodurch sie der
Komplexität der sozialen Realität gerecht zu werden versuchen.445 Die Kategorienbil-
dung ist von Beginn des offenen Kodierens bis zur Beschreibung der Kernkategorie
in den Daten verwurzelt, wodurch auch unterschiedliche Lesarten möglich sind. „Die
Vielfalt ist kein Mangel, kein Zeichen von Unschärfe oder Beliebigkeit, sondern Zei-
chen eines kritisch fragenden, prozessorientierten Denkens, das nur durch Kategorien
eine gewisse vorübergehende Stabilität erlangt.“446 In der Grounded Theory können
drei Schritte identifiziert werden: das offene Kodieren, das selektive Kodieren und das
axiale Kodieren. Beim offenen Kodieren werden die einzelnen Worte oder Sequen-
zen kodiert, beim axialen Kodieren werden Kategorien erarbeitet, die möglichst viele
Kodes umfassen und beim selektiven Kodieren wird die Kernkategorie identifiziert.
„Häufig haben Forscher Schwierigkeiten, angesichts ‚lauter wichtiger Details‘ die
zentralen Aussagen der Untersuchung bündig zu fassen. Hier sollte man fragen, wel-
che ‚Geschichte‘ in den Daten enthalten ist. Der Forscher fasst in wenigen Sätzen die
441 Corbin, Juliet/Strauss, Anselm (32008): Basics of Qualitative Research. Los Angeles/
London/New Delhi/Singapore: Sage Publications, 10.
442 Strauss, Anselm/Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozi-
alforschung. Weinheim: Psychologie Verlags Union, 89.
443 Muckel, Petra (22011): Die Entwicklung von Kategorien mit der Methode der Grounded
Theory. In: Mey, Günter/Mruck, Katja (Hg.): Grounded Theory Reader [2007], 333–352,
338.
444 Ebd., 338f.
445 Vgl. ebd., 350.
446 Ebd., 349.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279