Page - 143 - in Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten - Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
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Kindergartens zu zeichnen und fragt die Kinder, welche Zimmer es im Kindergarten
gebe. Die Kinder zählen mehrere Räume wie Garderobe, Bauecke, Küche und Schlaf-
zimmer auf. Nachdem die Kinder die Aufzählung beendet haben, fragt die Forscherin,
ob es ein Koranzimmer gebe, was die Kinder bejahen und intensiv zu diskutieren
beginnen. Die Kinder sprechen über die Moschee im Kindergarten und unterhalten
sich, wo die Moschee sei. Die an der Diskussion teilnehmenden Mädchen sind sich
einig, dass Bm nicht mit in das Koranzimmer gehen dürfe, weil er schlimm sei und
schlimme Kinder nicht am Koranunterricht teilnehmen und nicht in die Moschee gehen
dürften, da dies ausschließlich braven Kindern vorbehalten sei. Bm wehrt sich gegen
diese Aussage und betont, dass auch er in den Koranunterricht gehe. Über den Inhalt
des Koranunterrichts sind sich die Kinder nicht einig. Bm meint, dass sie den Koran
lesen würden. Dem widerspricht Ew, da der Koran nicht gelesen, sondern aufgesagt
und sie die falsche Meinung von Bm der Pädagogin erzählen werde.
Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Im und Dw: Die Diskussion wurde mit
dem fünfjährigen, muslimischen Im und der fünfjährigen, christlichen Dw geführt,
die nicht am Koranunterricht nach dem Mittagessen teilnehmen. Die beiden hielten
sich in der Kuschelecke auf, während alle anderen Kinder am Tisch saßen und darauf
warteten, für den Koranunterricht abgeholt zu werden.
Dw benennt, dass alle Kinder in den Koranunterricht gehen würden, was von Im
verstärkt wird. Sie selbst gehe allerdings nicht in den Koranunterricht, da sie keine
Muslima sei. Im meint, dass er ein Muslime sei, aber mit einer anderen Gruppe in den
Koranunterricht gehe.
Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Jw und Pw: Die Diskussion wurde mit
Jw, dem anderen fünfjährigen, christlichen Mädchen in der Gruppe und Pw, einem
fünfjährigen, muslimischen Mädchen am Maltisch geführt. Sowohl Jw und Pw malten
etwas und die Diskussion ergab sich aus dem von ihnen Gesagten.
Jw ist sich bewusst, dass sie und ein zweites Mädchen nicht in den Koranunterricht
gehen und alle anderen aus der Gruppe diesen besuchen. Sie meint, dass die anderen
in den Koranunterricht gehen würden, weil sie „Moschee sind“.619 „Moschee sein“
bedeutet für das Mädchen, dass alle Kinder, die das seien, in das Koranzimmer gehen
müssten. Auf die Frage, wer sie und das andere Mädchen seien, antwortet das Mäd-
chen mit ihrer Herkunft oder ihrer Sprache.
Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Nw und Lw: Die Diskussion fand mit
Nw und Lw am Maltisch statt, wobei sich das Gespräch aus dem von den Kindern
Gesagten ergab. Als Grund, warum sie in den Koranunterricht gehe, gibt Nw an, dass
sie noch klein sei und generalisiert, dass alle Kleinen in den Koranunterricht gehen
würden.
619 Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Jw und Pw im Kindergarten in islamischer
Trägerschaft, 6.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279