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wissen, welche Kinder der Gruppe nicht in den Koranunterricht gehen und zählen
deren Namen auf. Ein Junge nimmt nicht mit der restlichen Gruppe am Koranunter-
richt teil, weil er aufgrund seines Alters am Koranunterricht einer anderen Gruppe
teilnimmt. Dieser erklärt klar, dass er zwar Muslim sei, aber mit einer anderen Gruppe
in den Koranunterricht gehe.
Benehmen der Kinder: In einem Gespräch wird die Unterscheidung zwischen
braven und schlimmen Kindern angeführt, wobei nur die braven Kinder in das Koran-
zimmer gehen, die schlimmen hingegen nicht. Die Kinder benennen auch das Kind,
das aufgrund seines Verhaltens nicht mit in den Koranunterricht gehen darf, wogegen
sich das betroffene Kind wehrt.649
38 I: Wer geht in die Moschee?
39 Ew: Ich, ich (zeigt auf)
40 Bm: └Ich (zeigt auf)
41 Tw: └Ich. Ich. (zeigt auf)
42 Ew: Alle
43 Bm: Ich gehe auch. Ich gehe auch.
44 Ew: Schlimm Kind geht nicht, brav geht.
45 Tw: Schlimme Kind geht nicht, nur brav. (.) Aber Bm nicht. Bm war schlimm
46 Bm: ich auch.650
Größe bzw. Alter: Als Grund, warum sie in den Koranunterricht gehe, gibt ein Mäd-
chen an, dass sie noch klein sei und generalisiert, dass alle Kleinen in den Koranun-
terricht gehen würden.
7 Nw: Koranunterricht. Ja. (.) Weil ich bin noch klein, wenn jemand ist noch klein, geht in
Koranunterricht.651
Versuch des Verstehens von nicht bekannten religiösen Ausdrucksformen
Die Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft zeigen Verständnis für andere
Religionen oder religiöse Einstellungen. In den Gesprächen suchen die Kinder einer-
seits nach Gemeinsamkeiten, andererseits sind sie sich mancher Unterschiede zwi-
schen den beiden Religionen bewusst.
Muslimische Kinder im Kindergarten in islamischer Trägerschaft verbinden ihre
eigene Religion mit der christlichen Religion und suchen Anknüpfungspunkte aus
649 Am Tag des Gesprächs besprechen die Koranlehrerin und eine Pädagogin, dass im Kora-
nunterricht alle Kinder brav sein sollten und wenn ein Kind schlimm sei, dieses von der
Pädagogin aus dem Koranunterricht geholt werde. Bm wird in diesem Zusammenhang
beim Namen genannt und aufgefordert, brav zu sein. Am Vortag durfte ein Kind aufgrund
seines Benehmens nicht mit in den Koranunterricht gehen.
650 Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Ew, Tw, Lw und Bm im Kindergarten in
islamischer Trägerschaft, 38–46.
651 Gruppendiskussion zum Koranunterricht mit Sw und Nw im Kindergarten in islamischer
Trägerschaft, 7.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279