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welche Thematisierung einer Kultur der Anerkennung förderlich ist. Ausschließlich
Differenz, die im Kindergarten erkennbar ist oder thematisiert wird, kann anerkannt
werden. Religiöse Differenz wird in Organisationen gerne übersehen, was angesichts
der Offenheit gegenüber kultureller Differenz seltsam ist763 und Auswirkungen auf
den Alltag in der Organisation haben kann. Wie in den Organisationen Differenz aner-
kannt wird, kann für das Kind Bedeutung für den eigenen Umgang mit Differenz
gewinnen. Auch Kinder und Erwachsene, die einer Religion zugehören, sind in ihrer
Religiosität different, was in unterschiedlichen Ausdrucksformen erkennbar werden
kann. Kinder erfahren in ihrem Leben Differenz und dass sie nicht überall dazu gehö-
ren. Der Kindergarten bietet die Chance, diese Erfahrung im safe space zu machen
und mit den Kindern gemeinsam aufzuarbeiten. „Unter einer Perspektive der Aner-
kennung von Differenz wird es somit erforderlich, für Strukturen einzutreten, in denen
es Individuen möglich ist, ihren sozialen Subjekt-Status leben und auch verändern
zu können.“764 Verankerung des Umgangs mit religiöser Differenz in der Organisa-
tion entlastet die Pädagoginnen und Pädagogen, auf denen die Verantwortung ruht,
ob und wie im Kindergarten mit religiöser Differenz umgegangen wird und wie diese
erkennbar ist. Auch wenn im Kindergarten nie vollkommene Gerechtigkeit verwirk-
licht werden kann, gilt es, sich um diese zu bemühen und einen safe space zu entwi-
ckeln, in dem Kinder in ihrer Individualität und ihrer Differenz anerkannt werden und
sie Themen, die sie beschäftigen, thematisieren können. „While most early childhood
settings appear to be calm and friendly places on the surface, there may be a great deal
of underlying inequality in practice, as both adults and children inevitably bring with
them their own perceptions and prejudices to the setting and in their interactions with
one other.“765 Eine Kultur der Anerkennung, „in der das Andere in seiner Andersheit
bestehen bleiben kann und nicht sublim dem Eigenen gleichförmig gemacht wird“766,
wäre eine Zielperspektive.
„Wenn die Haltung der Anerkennung von Getrenntheit und Einmaligkeit der Einzel-
personen das Klima einer Lerngruppe bestimmt, entsteht Gemeinsamkeit. Aus Subjek-
tivität entsteht Intersubjektivität. Die Aufmerksamkeit einer jeden, eines jeden für die
eigene Besonderheit weckt die Fähigkeit, auch der Besonderheit der Anderen gewahr
zu werden. Gemeinsamkeit stellt sich her durch ‚Prozesse des Übergangs zwischen den
Heterogenen.‘“767
763 Vgl. Jäggle, Martin (2000): Wie nimmt Schule kulturelle und religiöse Differenz wahr?
Grundsätzliche Vorbemerkungen und Einblick in ein Forschungsprojekt in Wien. In:
Porzelt, Burkard/Güth, Ralph (Hg.): Empirische Religionspädagogik, 119–138, 120.
764 Mecheril, Paul/Plößer, Melanie (2009): Differenz. In: Andresen, Sabine u. a. (Hg.): Hand-
wörterbuch Erziehungswissenschaft, 194–208, 198f.
765 Ang, Lynn (2010): Critical perspectives on cultural diversity in early childhood: building
an inclusive curriculum and provision. Early Years: An International Research Journal
30(1), 41–52, 48f.
766 Mette, Norbert (2005): Einführung in die katholische Praktische Theologie, 59.
767 Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt, 186.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279