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Differenz kann herangezogen werden, um andere Kinder abzuwerten oder auszugren-
zen, wobei jedes Merkmal des Kindes zu Abwertung und Ausgrenzung führen kann.789
Möglicherweise erfahren Kinder in elementaren Bildungseinrichtungen,
„that certain ways of being (symbolised through appearance, clothes, possessions,
activities etc.) are favoured over others, that certain language groups are more valued
than others, that certain family compositions are more ‚normal‘ than others or that
certain expectations of a ‚polite attitude‘ are more appreciated than others.“790
Dies kann insbesondere dann schwierig werden, wenn eine Gruppe – bewusst oder
unbewusst, offen oder verhalten – nicht akzeptiert wird. Kinder der kleineren Religion
erzählen oftmals von negativen Erfahrungen, die sie aufgrund ihrer Religionszuge-
hörigkeit erleben.791 „While some children are valued and sought after the ways their
religion is different from the majority of the class, many more children share stories
of feeling marginalized and made fun of because of foods, dress, prayers or modesty
values which set them apart from other children.“792 Werden Kinder in bestimmten
Bereichen diskriminiert, kann dies auf die Entwicklung des Kindes negative Auswir-
kungen haben.793 „Action directed at changing discriminative attitudes and promoting
positive self-identity in minorities must be directed at all institutions that make up our
society. Child care centres may be especially important as it is during the preschool
years when attitudes towards outgroup members first form.“794 Zwei grundlegende
Dimensionen sozialer Anerkennung sind die Selbst- und die Fremdanerkennung,
wobei sich Selbstanerkennung „nur in Strukturen der Anerkennung durch andere ent-
wickeln“ kann.795 Es bedarf der Anerkennung der Einmaligkeit der Einzelpersonen.
„Wenn die Anerkennung und das Erkennen des Anderen ein notwendiger Pol für die
Selbsterkenntnis des Subjekts und das Anerkanntsein im sozialen Leben sind, wenn
die Zusage auf eigene Identität notwendigerweise über die ‚unbedingte Solidarität‘
mit dem bzw. der anderen laufen muss, dann kann ein Abschluss anderen gegenüber
in keiner Weise philosophisch oder theologisch gerechtfertigt werden. Dann ist eine
solche, womöglich machtförmige Abgrenzung gegen andere kein Modell für Identi-
fikationsprozesse. Und dann bildet die Pluralität religiöser Positionen eine Chance,
789 Vgl. Wagner, Petra (2010): Vielfalt und Diskriminierung im Erleben von Kindern. In:
Wagner, Petra (Hg.): Handbuch Kinderwelten, 56–71, 58.
790 Vgl. Woodhead, Martin (2008): Identity at birth. In: Brooker, Liz/Woodhead, Martin
(Hg.): Developing Positive Identities, 4.
791 Abo-Zena, Mona M. (2012): Faith from the fringes: Religious minorities in school.
Kappanmagazin 93(4), 15–19.
792 Follari, Lissanna (2015): Valuing Diversity in Early Childhood Education, 176.
793 Vgl. Resilienzforschung.
794 Perlman, Michal/Kankesan, Tharsni/Zhang, Jing (2010): Promoting diversity in early
child care education. Early Child Development and Care 180(6), 753–766.
795 Mecheril, Paul/Plößer, Melanie (2009): Differenz. In: Andresen, Sabine u. a. (Hg.): Hand-
wörterbuch Erziehungswissenschaft, 194–208, 198.
Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Title
- Umgang mit religiöser Differenz im Kindergarten
- Subtitle
- Eine ethnographische Studie an Einrichtungen in katholischer und islamischer Trägerschaft
- Author
- Helena Stockinger
- Publisher
- Waxmann Verlag GmbH
- Location
- Münster
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-8648-5
- Size
- 16.5 x 23.5 cm
- Pages
- 280
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Einleitung 11
- Teil I: Theoretische Grundlagen und Begriffsklärungen 12
- 1. Praktisch-theologische Herangehensweise 12
- 2. Ausgangslage der Forschung 14
- 3. Das Recht der Kinder auf Differenz 16
- 4. Chancen und Herausforderungen der Religionspädagogik 17
- 5. Religiöse Differenz in elementaren Bildungseinrichtungen 18
- 6. Begriffliche Klärungen 20
- Teil II: Forschungsstand 41
- 1. Forschungsergebnisse zum Umgang mit religiöser Differenz 41
- 1.1 Ausgewählte Studien mit Kindern im Grundschulalter 42
- 1.2 Empirische Studien mit Kindern in der Elementarpädagogik 46
- 1.2.1 Eva Hoffmann: Interreligiöses Lernen im Kindergarten? 46
- 1.2.2 Friedrich Schweitzer, Albert Biesinger, Anke Edelbrock: Tübinger Projekte 48
- 1.2.3 David Elkind: Erforschung der Glaubensentwicklung 52
- 1.2.4 Ina ter Avest: Erfahrungen im Umgang mit dem Anderen 53
- 1.2.5 Daniel Bar-Tal: Konzept eines „Arabers“ in Israel 54
- 1.2.6 Paul Connolly et al.: Einstellung gegenüber Gruppen in Nordirland 55
- 1.3 Zusammenfassung der Forschungsergebnisse 58
- 2. Forschungsfrage 60
- 3. Anliegen der Studie 60
- 4. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse 62
- 5. Möglichkeiten und Grenzen der Kindheitsforschung 67
- Teil III: Methodologische Zugänge der Studie 81
- 1. Qualitativ-empirische Forschung 81
- 2. Ethnographischer Zugang 89
- 3. Grounded Theory 90
- 4. Thematisches Kodieren nach Uwe Flick 94
- 5. Begründung der Forschungszugänge 96
- 6. Überblick über die angewendeten Methoden 98
- Teil IV: Untersuchungsdesign und durchführung 108
- 1. Angewendete Methoden bei der Untersuchung 108
- 2. Auswahl der Kindergärten 114
- 3. Untersuchungsdurchführung 117
- 4. Reflexion der Untersuchungsdurchführung 121
- Teil V: Auswertung 124
- 1. Hinweise zur Auswertung in der vorliegenden Studie 124
- 2. Darstellung der Kindergärten 125
- 3. Kurze Fallbeschreibungen 133
- 4. Datenauswertung 149
- Teil VI: Diskussion 183
- 1. Der Kindergarten als Organisation 183
- 2. Plädoyer: Entwicklung einer Kultur der Anerkennung religiöser Differenz 194
- 3. Rückblick – Ausblick 244
- Literatur 247
- Tabellen und Abbildungsverzeichnis 276
- Anhang 277
- Abstract 279