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Daher würden sich die Gültigkeitsbereiche der Normen mit den Staatsgrenzen
(z. B. Österreich) decken (39).
In Modellierungen der regionalen, diatopischen Variation des Deutschen wird
nach Spiekermann (2010, 346) traditionell zwischen drei Ebenen unterschieden,
auf denen man Varietäten nach ihrer kommunikativen Reichweite ansiedeln
kann. Die Standardsprache gelte als die Varietät mit der größten kommunika-
tiven Reichweite. Sie umfasst das gesamte Sprachgebiet. Den Dialekten werde
nur eine kleinräumige Kommunikationswirkung zugebilligt. Und zwischen den
beiden gebe es eine Gruppe von Varietäten mit einer mittleren Kommunika-
tionsreichweite, „die ‚Umgangssprachen‘ oder besser Regionalsprachen“. Dabei
werde in Süddeutschland und Österreich ein Kontinuum regionaler Varietäten
angenommen, in der Schweiz und Teilen Norddeutschlands werde von einem
Nebeneinander von Dialekt und Standard (Diglossie) ausgegangen. Zwischen den
Polen Standard (als idealisierte, im Alltag nicht realisierte Ausdrucksform) und
Dialekt (mit kleinräumiger Verbreitung) nimmt Spiekermann regionale Standards
und (dem Dialekt näherstehende) Regionalsprachen an. Im dialektnahen Bereich
unterscheidet Dittmar (1997) noch stärker zwischen lokalen, regionalen, städti-
schen und überregionalen Varietäten (179). „Regionalsprachen“ nach Spiekermann
„umfassen alle Varietäten, die im Kontinuum regionaler Varietäten
[…] zwischen
den Dialekten und den Standardvarietäten anzusetzen sind“ (Spiekermann 2010,
346). Gerade sie seien durch Tendenzen der De- Standardisierung und des Dialekt-
abbaus großen Veränderungen unterworfen. Sie würden
– je nach Standard- und
Dialektnähe – ein breites Spektrum von Varietäten abdecken.
Auch Löffler (2005) geht „aus praktischen Gründen“ zunächst vom „alten ein-
fachen Dreiermodell“ aus, der Trias „Hochsprache
– Umgangssprache
– Mundart“.
Dem entspricht moderner ausgedrückt: Standardsprache
– Substandardsprache
–
Dialekt oder Standard
– Substandard
– Nonstandard (11). Ein Gegenbegriff zum
Standard sei der Dialekt, der andere die „Umgangssprache“, der vielleicht nur ein
Unterbegriff von Standard sei. Umgangssprache sei eine Art „Ausgleichsvarie-
tät“ zwischen Hochsprache und Dialekt, die zwar deutliche regionale Färbung,
jedoch keine extremen Dialektismen aufweise, sie sei „teilweise überregional,
teilweise normiert und kodifiziert, eher mündlich, aber auch schriftlich – und
nur teilweise für den (Ausländer-)Unterricht geeignet, allenfalls auf der Fortge-
schrittenenstufe“ (a. a. O., 18). Ammon (2005, 35) nennt die Markierung eines
als „umgangssprachlich“ bezeichneten sprachlichen Elements „berüchtigt“, weil
nicht klar sei, ob damit eine weitere Normebene zwischen Standard und Non-
standard, ein Grenzfall des Standards gemeint sei oder eine Stilschicht innerhalb
des Standards (kolloquialer Standard)6. Und der Terminus habe mindestens noch
6 Auch Löffler (2005) führt diese Bedeutung von Umgangssprache im Sinn einer „Stilschicht,
die für informellere, privatere Situationen angemessener erscheint“ als die Hochsprache, an:
Es entspreche dem Englischen colloquial speech (Löffler 2005, 18).
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| Theoretische Einordnung des
Forschungsgegenstandes24
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256