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eine dritte Bedeutung: „das im alltäglichen Umgang sprachlich Übliche“ (a. a. O.,
35), im Sinn von Alltagssprache.7
Für Österreich unterscheidet Wiesinger (1985, 2010) vier Ebenen, wobei er
zweierlei Dialektebenen einbezieht. Er teilt das mündliche Variationsspektrum in
die als Dialekt und Standard bezeichneten äußeren Pole und eine als Umgangs-
sprache bezeichnete, auf das „Hochdeutsche“ gerichtete Umgangssprache ein
(2010, 636). Für Steinegger (1998, 32) ist die Umgangssprache das „Ausgleichs-
produkt zwischen standardsprachlichen und dialektalen Varietäten“. In allen
oben angeführten Modellierungen zeigt sich, dass vor allem die Varietät, die als
„Umgangssprache“ bezeichnet wird, äußerst vage und schwer zu operationalisieren
ist. Das hat sich letztlich auch im vorliegenden Projekt gezeigt, in dem wir aber,
wie Löffler, „aus praktischen Gründen“ zunächst vom „alten einfachen Dreier-
modell“ ausgegangen sind (siehe Kap. 2.5).
2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen
Trotz Standardisierung und Kodifizierung geht man davon aus, dass auch die
Variation in der Standardsprache systematisch regional oder abhängig von staat-
lichen Grenzen geprägt ist. Das Ende der monozentrischen Ära, die von einer
geographischen Lokalisierbarkeit der „besten“ Standardsprache ausging, wird
häufig in Zusammenhang mit einer Podiumsdiskussion auf der Internationalen
Deutschlehrertagung IDT in Bern 1986 gebracht (vgl. von Polenz 1987). Die beiden
heute am häufigsten verwendeten Modellierungen dieser Variation im Bereich
der Standardsprache – es geht explizit nicht um Nonstandardvarietäten – sind
das plurizentrische und das pluriareale Konzept, die im Folgenden charakterisiert
werden sollen. Das vorliegende Projekt hatte das Ziel, primär den von stark norma-
tiven Rahmenbedingungen geprägten Bereich der schulischen Bildungssprache
zu untersuchen
– ein Bereich, für dessen konzeptuelle Einbettung die Plurizentrik
geeigneter erscheint. Dieser Zugang wird im Folgenden ausführlicher dargestellt.
2.4.1 Plurizentrik
Die Termini „plurizentrische“ bzw. auch „polyzentrische“ Sprachen wurden
vermutlich vom US-amerikanischen Soziolinguisten Willam A. Stewart zuerst
verwendet, von Heinz Kloss (1978) für die Beschreibung sprachlicher Variation
eingeführt, und später vor allem von Michael Clyne weiter verbreitet. Auf der
anderen Seite wurden ähnliche Konzepte, verbunden mit den Begriffen nationaler
7 Bei den bis 2001 in Österreich üblichen Volkszählungen wurde z. B. nach der „Umgangssprache“
in diesem Sinn gefragt. Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256