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im amerikanischen und „footpath“ im australischen Englisch (Clyne 2005, 296).
Variablen können auch innerhalb einer Nation variieren, z. B. wenn eine Variante
nur in Ostösterreich vorkommt, oder auch nationsübergreifend sein. Mit „spe-
zifischen Varianten“ werden in diesem Fall diejenigen Formen bezeichnet, die
in ihrer Verwendung auf eine Nation beschränkt sind (wie etwa die drei obigen
Beispiele oder die „Befehlsausgabe“ beim österreichischen Militär). Unspezi-
fische Varianten kommen auch darüber hinaus vor, z. B. der Blumenkohl in der
Schweiz und Deutschland (gegenüber dem Karfiol in Österreich). Die nationalen
Varianten Österreichs werden in der Regel als Austriazismen bezeichnet, die des
Schweizer Deutsch als Helvetismen – der Ausdruck „Teutonismus“ (VWB 2016,
XLII) für das deutsche Deutsch ist umstritten
– alternativ wird in Fachkreisen auch
„Deutschlandismus“ verwendet. Kellermeier- Rehbein verwendet „Teutonismus“
(Kellermeier- Rehbein 2014, 37). In der vorliegenden Arbeit verwenden wir den von
uns als neutraler empfundenen Terminus Deutschlandismus, der auch Ammon
(1998, 315) als „vertretbar“ erscheint.9 Für Varianten, die im gesamten deutsch-
sprachigen Raum üblich sind, verwenden wir den Terminus „gemeindeutsch“.
Zwischen den unterschiedlichen Varietäten plurizentrischer Sprachen herr-
schen meist asymmetrische Verhältnisse
– Clyne spricht von D(ominanten) und
A(nderen) Nationalvarietäten („D(ominant) and O(ther) varieties“, Clyne 2005,
297). Das Deutsch, das in Deutschland gesprochen wird, ist für Clyne die Varietät
der dominierenden, der „D-Nation“, das Deutsch Österreichs hingegen die Varietät
der anderen, einer so genannten „A-Nation“. Clyne (1995, 22) charakterisiert die
bestehende Asymmetrie zwischen diesen beiden Varietäten und deren Nationen
folgendermaßen: Für D-Nationen sei es schwierig, das Konzept der Plurizen-
trizität zu begreifen. Unterschiede zwischen nationalen Varietäten würden als
trivial abgetan. D-Nationen würden dazu tendieren, aufgrund der Überlappung
linguistischer Faktoren nationale Varietät mit regionaler Varietät gleichzusetzen,
ohne die Funktion, den Status und den symbolischen Charakter nationaler Varie-
täten zu verstehen. D-Nationen würden im Allgemeinen ihre nationale Varietät
als den normgebenden Standard betrachten und sich selbst dabei als Hüter dieser
Standardnorm sehen. Die nationalen Varietäten der A-Nationen würden dabei als
abweichend, „non- standard“ und exotisch, charmant und etwas veraltet angese-
hen. Die kulturellen Eliten der A-Nationen würden dazu tendieren, sich an den
Normen der D-Nationen zu orientieren. Die Normen der A-Nationen würden
als weniger streng als die der D-Nationen gelten. Ein Anpassen an die Varietät
der jeweils anderen Nation finde meist in Richtung der Norm der D-Nation statt,
wenn SprecherInnen verschiedener nationaler Varietäten zusammentreffen, z. B.
in Arbeitskreisen, Konferenzen oder bei Begegnungen im touristischen Bereich
in Drittländern. D-Nationen hätten auch bessere Ressourcen als A-Nationen, um
9 Als Alternativen wurden auch Germanismus, Bundesgermanismus oder Germanizismus vor-
geschlagen.
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO. KG, WIEN KÖLN WEIMAR
| Theoretische Einordnung des
Forschungsgegenstandes28
Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256