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finden sich Gedichte, die im Dialekt verfasst sind, z. B. von Christine Nöstlinger:
„Vua lauta Aungsd“ und Eugen Stadelmann: „Dr Funko“.
Im LehrerInnenhandbuch finden sich Lerninhalte wie „Sprachfähigkeiten
erweitern und an der Standardsprache orientiert sprechen
[…], Sprachrichtigkeit,
Sätze erweitern“, „Mundart/Dialekt mit Hochsprache vergleichen“ (LehrerInnen-
handbuch, Sprachlichter 4. Schulstufe, S. 2), „Einsicht in Sprache: Unterschiede
Dialekt
– Standardsprache kennenlernen“ (a. a. O., S.
16). Es gibt allerdings keine
näheren Erläuterungen zu Dialekt oder Standardsprache. Auffallend ist, dass in
diesem LehrerInnenhandbuch im Abschnitt „Bildungsstandards im Kompetenz-
bereich Rechtschreiben“ folgende drei Punkte genannt werden: einen begrenzten
Wortschatz normgerecht schreiben; Regelungen für normgerechtes Schreiben
kennen und anwenden; für normgerechtes Schreiben Rechtschreibstrategien
und Arbeitstechniken anwenden. Der Begriff „normgerecht“ findet sich auch in
den österreichischen Lehr- und Studienplänen wiederholt, und an keiner Stelle
gibt es dazu nähere Erklärungen.
Was die standardsprachliche Variation betrifft, werden im Basisteil 2 die
SchülerInnen dazu aufgefordert, für mündliche Erzählungen das Perfekt zu ver-
wenden, für schriftliche Erzählungen jedoch die Mitvergangenheit. („Wenn ich
etwas Vergangenes mündlich erzähle, verwende ich die lange Zeitform Vergan-
genheit, z. B. Ich bin … gegangen, ich habe … erlebt. Ich weiß schon: Wenn ich
etwas Vergangenes aufschreibe oder schriftlich berichte, verwende ich die kurze
Zeitform Mitvergangenheit, z. B. ich ging…“, Basisteil 2, Sprachlichter 4.
Schulstufe,
S. 41). Die meisten spezifischen und unspezifischen Varianten, die im Lehrwerk
vorkommen, sind auf der lexikalischen Ebene zu finden. Dabei nehmen naturge-
mäß spezifische und unspezifische Austriazismen den größten Teil ein (z. B. Bub,
Federschachtel, Schlagobers, Palatschinken, Semmel, Samstag, Vanillekipferl, Bei-
strich, (Erdbeer-) bzw. (Himbeer-)Marmelade, in der Früh, das Keks, Jause, Tixo).
Es finden sich aber auch einige spezifische und unspezifische Deutschlandismen
(z. B. Wörtertreppe, Blech- bzw. Konservenbüchse, lecker, Kissen, Kerzenbüchse).
Spezifische Helvetismen kommen nicht vor.
Auch in keinem der analysierten Teile der Serie „Lilos“ findet die Thema-
tik standardsprachliche Variation oder „österreichisches Deutsch“ Erwähnung
–
weder auf expliziter noch impliziter Ebene. In vielen Texten der Lehrbuchserie
sind spezifische und unspezifische Austriazismen und Deutschlandismen vor-
zufinden, die allesamt unkommentiert bleiben, was auch hier bei alltäglichen
Austriazismen naheliegend erscheint, bei manchen Deutschlandismen jedoch
geboten wäre. Betrachtet man die Texte aus einem plurizentrischen Blickwinkel,
so fällt auf, dass mehrmals deutsche und österreichische Varianten eines Wortes
(z. B. Karneval/Fasching) im selben Text in unmittelbarer Nähe stehen. Gerade
hier werden Gelegenheiten „verschenkt“, die man dazu nützen könnte, die regio-
nale Variation der deutschen Sprache mit einfachen Mitteln anzuschneiden und
VolksschülerInnen für sprachliche Variation zu sensibilisieren.
Deutsch-Lehrwerke
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256