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Verständnis vorhanden, auch wenn das Konzept nur einer kleinen Minderheit
bekannt ist. Und was die innerösterreichische Variation betrifft, sind sich die
Befragten durchaus der regionalen Unterschiede bewusst, sie werden aber mehr-
heitlich nicht als so relevant eingeschätzt, dass dadurch ein gemeinsames überda-
chendes österreichisches Standarddeutsch in Frage gestellt würde. Bei den Schüler-
Innen ist die Zustimmung allerdings deutlich geringer als bei den Lehre rInnen. Die
Ergebnisse zeigten bei den Sprachnormautoritäten
– also den LehrerInnen
– eine
stärkere Standard- und Plurizentrikorientierung. Unterschiede in den Sprachein-
stellungen innerhalb der LehrerInnen zeigen sich v. a. abhängig vom Alter, der
Ausbildungsinstitution und der Schulform, bei den SchülerInnen sind sie abhängig
von der Region, dem Geschlecht, der Erstsprache und der Mehrsprachigkeit/den
(Fremd-)Sprachenkenntnissen.
6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen
6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch
Mit Blick auf die Einstellungen zur und die „Sprachloyalität“ gegenüber der eige-
nen Varietät (vgl. Schmidlin 2011, 219; vgl. Kap. 5.1) und den in der Literatur
behaupteten Minderwertigkeitskomplex der ÖsterreicherInnen, wonach diese
ihre eigene Varietät des Deutschen nicht für gleichwertig halten würden, haben
wir auch nach der Korrektheit des österreichischen Deutsch gefragt. Die konkrete
Frage war: „Halten Sie das Standarddeutsch (Hochdeutsch), das in Österreich ver-
wendet wird, für genauso korrekt wie das in Deutschland?“
Zunächst haben wir auf diese einfache Frage eine sozial erwünschte, „politisch
korrekte“ Antwort erhalten: Von der überwiegenden Mehrheit der LehrerInnen
und auch der Mehrheit der SchülerInnen (86 % bzw.
67,7 %) kam die Antwort „Ja“.
Nur 8,5 % der Lehrenden und 22,7 % der SchülerInnen antworteten mit „Nein“,
während sich ein kleiner Teil der LehrerInnen und SchülerInnen (5,5 % bzw.
9,6 %)
diesbezüglich unsicher zeigte („weiß nicht“) (siehe Abb. 43 auf S. 146).
Die Antworten auf eine Kontrollfrage weiter unten im Fragebogen lieferten
jedoch ein abweichendes Ergebnis. In dieser Frage hatten die LehrerInnen und
SchülerInnen die Möglichkeit, ihre Einstellung zur Korrektheit des österreichi-
schen Deutsch auf einer vierstufigen Skala differenzierter einzuordnen. Einge-
bettet in den plurizentrischen Vergleichskontext (Englisch in Großbritannien/
USA, Französisch in Frankreich/in der Schweiz) sollten die Befragten angeben,
wie sehr sie der folgenden Aussage zustimmen oder sie ablehnen: „Deutsches
Deutsch ist korrekter als österreichisches Deutsch“. Das überraschende Resultat:
Nur 44,1 % der LehrerInnen lehnten diese Aussage dezidiert ab, und insgesamt
16,1 % der LehrerInnen stimmten der Aussage sogar sehr stark oder stark zu.
D. h., viele der befragten LehrerInnen hielten das deutsche Deutsch für (etwas)
Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256