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Und schließlich gaben LehrerInnen, die Deutsch und eine andere Sprache
studiert haben, deutlich öfter (76,9 %) an, unterschiedliche Sprachformen häufig
oder sehr häufig zu thematisieren als solche, die Deutsch und ein anderes Fach
(61 %) und solche, die nur ein anderes Fach (nicht Deutsch) studiert haben
(37,5 %) – ein durchaus plausibles Ergebnis.
Dieser Befund, wonach nur die Hälfte der Lehrpersonen unterschiedliche
Sprachformen im Unterricht häufig bis sehr häufig thematisiert, deckt sich nicht
ganz mit den Ergebnissen der Einzelinterviews:21 Hier gab die Mehrheit der befrag-
ten LehrerInnen an, das österreichische Deutsch im Unterricht bereits thematisiert
zu haben. Nur wenige (wie z. B. die Lehrerin aus Tirol [FT1], die im Folgenden
zitiert wird) führten als Grund für die Thematisierung ein fehlendes sprachliches
Selbstbewusstsein der österreichischen SprecherInnen an:
Also i denk, man kann durchaus a gewisses Selbstbewusstsein für des österreichische
Deutsch entwickeln, und
… net dieses latente Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem
bundesdeutschen Standard mit sich herumtragen, sondern es eben als eine durchaus
auch legitime Variante sehen.
Die wenigsten Lehrenden, die angaben, österreichisches Deutsch bereits im Unter-
richt angesprochen zu haben, behandeln dabei die österreichische Standard-
sprache; öfter handelt es sich bei den Unterrichtseinheiten um Dialekte, wie z. B.
ein Lehrer aus dem Burgenland erklärte:
Ahm natürlich, in den Oberstufen is das/is das ganz sicher Thema, […] wobei ich
sagen muss, ahm da geht’s mehr immer um die Verwendung des Dialekts. Und nicht
um das Österreichische ALS Standardsprache im Vergleich zum Deutschen als Stan-
dardsprache, des wird eher weniger thematisiert. (MB1)
Ein Lehrer aus Salzburg (MSa1) sagte, er würde das österreichische Deutsch im
Zusammenhang mit Soziolekten thematisieren:
Mmh ja. Aber eher im Zusammenhang eben mit so Soziolekten, also eher in die Rich-
tung, ja, das dann etwas vorkommt. Es is net des große Thema, ahm es is, würd i sogn,
ein Randthema, weil ma einfach so viel andere Sachen machen muss.
Auch Zeitmangel wurde in den Interviews als Grund dafür genannt, österreichi-
sches Deutsch nicht zu thematisieren:
21 Das ist insofern nicht verwunderlich, als sich die InterviewpartnerInnen für die Interviews
selbst gemeldet haben und vermutlich am Thema besonders interessiert waren.
Dialekt
– Umgangssprache – Standard?
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Österreichisches Deutsch macht Schule
Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
Veröffentlicht mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
- Title
- Österreichisches Deutsch macht Schule
- Subtitle
- Bildung und Deutschunterricht im Spannungsfeld von sprachlicher Variation und Norm
- Authors
- Rudolf de Cillia
- Jutta Ransmayr
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20888-4
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 266
- Keywords
- Austriacism, teaching German, dialect, Austria, Austrian German, Austriazismus, Deutschunterricht, Dialekt, Lehrbücher, Lehrpläne, Österreich, Österreichisches Deutsch, Plurizentrik, Pluriarealität, Spracheinstellungen, Sprachnormen, Standardsprache
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- 1 Einleitung 10
- 2 Theoretische Einordnung des Forschungsgegenstandes Innere Mehrsprachigkeit – sprachliche Variation – Sprach/en/unterricht 14
- 2.1 (Innersprachliche) Mehrsprachigkeit und sprachliche Variation 14
- 2.2 Status und Rolle/Funktion der deutschen Sprache in den deutschsprachigen Ländern/Regionen 16
- 2.3 Sprachliche Variation und deutsche Sprache 21
- 2.4 Konzeptualisierungen der Variation im Standarddeutschen 24
- 2.5 Sprachliche Variation der deutschen Sprache in Österreich 46
- 2.6 Sprachnorm und Sprachenunterricht 52
- 2.7 Forschungslage zum österreichischen Deutsch als Unterrichts- sprache und ExpertInnenbefragung 57
- 2.7.1 Forschungslücken/Forschungsfragen 59
- 3 Forschungsfragen und Untersuchungsdesign 61
- 4 Analyse von unterrichtsrelevanten Dokumenten (Lehrpläne, Studienpläne, Lehrbücher) 68
- 5 Empirische Erhebung bei LehrerInnen und SchülerInnenan österreichischen Schulen Beschreibung der Daten 89
- 6 Ergebnisse der empirischen Erhebung an Schulen 120
- 6.1 Konzeptualisierung der Variation des Deutschen in Österreich 120
- 6.2 Spracheinstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen 144
- 6.2.1 Korrektheit des österreichischen Deutsch 144
- 6.2.2 Einstellungen gegenüber dem österreichischen, deutschen und Schweizer Standarddeutsch: Polaritätsprofile 152
- 6.2.3 Sprache – Identität 154
- 6.2.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Einstellungen gegenüber den Varietäten des Deutschen unter LehrerInnen und SchülerInnen 161
- 6.3 Korrekturverhalten 163
- 6.5 Dialekt – Umgangssprache – Standard? Angaben zum Varietätengebrauch innerhalb und außerhalb der Schule 198
- 6.6 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der empirischen Erhebung an den Schulen 215
- 7 Schlussbetrachtung und Ausblick 221
- Anhang 232
- Literatur 237
- Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 252
- Sachregister 256