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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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die durch die Premiere der Publikumsbeschimpfung noch verstĂ€rkt wurde, fĂŒhrte sie andererseits dazu, dass die literarische Faktur der Hornissen, etwa ihr spezi- fischer Einsatz in der Diskussion um den ‚Neuen Realismus‘, tendenziell weniger intensiv beachtet wurde. WĂ€hrend der Princetoner „Mediencoup“ 60 und seine Nachwehen ganz wesentlich zur plötzlichen Prominenz Handkes beitrugen  – und er diesen RĂŒckenwind durchaus fĂŒr sich zu nutzen verstand  –, standen sie der unvoreingenommenen Rezeption seiner literarischen Arbeiten zugleich im Weg.61 Seine Publicity geriet dem jungen Schriftsteller dabei schnell zum Vorwurf: „Über diesen Roman wĂ€ren“, so Hellmuth Karaseks exemplarische EinschĂ€tzung im Feuilleton der SĂŒddeutschen Zeitung, nicht so viele böse Worte zu verlieren, gĂ€lte der Autor nicht seit seinem Auftritt in Princeton bei der Gruppe 47 als eine Art Jung-Siegfried, der den Drachen einer ErzĂ€hlmaschine, die nichts zu sagen habe, mutig (wenn auch wenig artikuliert) zum Zweikampf herausforderte. Nach der LektĂŒre der ‚Hornissen‘ weiß man wenigstens, daß Handke mit exakt den gleichen Waffen kĂ€mpft, wie diejenigen ErzĂ€hler, bei deren Prosa ihm zu Recht der Kragen platzte. Handke hat sich in Princeton in das eigene Hornissennest gesetzt.62 Ganz Ă€hnlich argumentierten andere prominente Literaturjournalisten in Deutschland, etwa Fritz J. Raddatz, der Handke in den Frankfurter Heften beschei- nigte, dass sein „kritischer Anspruch“, den er in Princeton wortmĂ€chtig formuliert habe, „leider durch seine eigene literarische pop-Collage nicht erfĂŒllt werde“; der Roman Die Hornissen strande „an haargenau jenem Riff“, „das Handke nun als so gefĂ€hrlich charakterisierte: eine bloße Deskriptionsprosa, kĂŒhl dargeboten, vertrauend darauf, daß die PhĂ€nomene sich selber erklĂ€ren“.63 Der DebĂŒtant hatte in seinem vielzitierten Statement nach Hermann Peter Piwitts Lesung von einer Krise der „deutschen Prosa“ gesprochen, die ihr „Heil“ gegenwĂ€rtig „in einer bloßen Beschreibung“ suche und dabei eine veritable „Beschreibungsimpotenz“ 60 Heribert Tommek: Der lange Weg in die Gegenwartsliteratur. Studien zur Geschichte des lite- rarischen Feldes in Deutschland von 1960 bis 2000. Berlin, Boston: de Gruyter 2015, S.  133. 61 In seiner Ökonomie der Aufmerksamkeit hat Georg Franck sich ausfĂŒhrlich mit dem problema- tischen VerhĂ€ltnis zwischen QualitĂ€t und QuantitĂ€t von Aufmerksamkeit beschĂ€ftigt  – etwa damit, „daß es bei der Beachtung, die bezogen wird, nicht gleichgĂŒltig ist, von wem sie kommt“ (Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. MĂŒnchen, Wien: Hanser 1998, S.  116). Vgl. auch ebd., S.  79 – 84 u.  121 – 126 sowie zur „SelektivitĂ€t im Umgang mit empfangener Aufmerksamkeit“ S.  217 f. 62 Hellmuth Karasek: Handke, wo ist dein Stachel? In: SĂŒddeutsche Zeitung, 25./26. 6. 1966. 63 Fritz J. Raddatz: Die Bilanz von Princeton. [1966] In: Die Gruppe 47. Bericht  – Kritik  – Polemik. Ein Handbuch. Hg. v. Reinhard Lettau. Neuwied, Berlin: Luchterhand 1967, S.  241 – 247, hier S.  244 f. „ich kann mich damit schwer abfinden“: Kritik der Kritik als Werkpolitik42 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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