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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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der Besprechung stellt Buch deren polemischen Impetus klar, indem er Hand- kes rege PublikationstĂ€tigkeit spöttisch kommentiert: „Wenn ProduktivitĂ€t das Genie ausmacht, dann ist Peter Handke ein Genie.“ 141 Im Sinne einer ideologie- kritischen LektĂŒre von Handkes Roman versucht Buch im weiteren Verlauf der Rezension, den „affirmativen Charakter, das Nirgendwo dieser Prosa“ offenzu- legen; denn sein  – Buchs  – „Schrecken“ habe nichts mit dem „abstrakten Schema des Schreckens“ im Hausierer zu tun: „mein Schrecken betrifft Bolivien und Vietnam, er betrifft auch Los Angeles und West-Berlin.“ 142 Diese Steilvorlage vonseiten seines politisch engagierten Kontrahenten wusste Handke geschickt zu nutzen, und er quittierte Buchs Verriss in einem Leserbrief an den Spiegel mit unverhohlenem Sarkasmus: Ich bitte um Erbarmen und Geduld fĂŒr mich. Ich habe den affirmativen Charakter meiner Arbeiten nach der LektĂŒre der Besprechung des Romans „Der Hausierer“ sofort erkannt. Ich habe bist jetzt im Dienst der herrschenden Ideologie gearbei- tet.  [
] / Ich werde mich Ă€ndern. Mit meiner nĂ€chsten literarischen Arbeit werde ich mich gegen die herrschende Ideologie stellen. Der affirmative Charakter meiner Arbeiten wird sich in einen negierenden Charakter verwandeln. Mit meiner nĂ€chs- ten Arbeit werde ich die bestehenden ZustĂ€nde verĂ€ndern wollen.  [
] Gerade habe ich mir schon ein Plakat mit dem Bild Che Guevaras beschafft und es in meinem Zimmer an die Wand geklebt, und wenn heute abend die Tagesschau Bildberichte aus Vietnam bringt, werde ich mir ĂŒberlegen, wie ich aus diesen Bildern Literatur machen kann.143 In dieser Konstellation, in der ‚Ideologie‘ und ‚Affirmation‘ zu brisanten Schlag- worten werden, zeigt sich eine schon am Beispiel der Konfrontation von Handke und Hamm beobachtete und allgemein fĂŒr Teile der frĂŒhen Handke-Kritik 141 Hans Christoph Buch: Tot und sauber aufgerĂ€umt. In: Der Spiegel, Nr.  52, 18. 12. 1967, S.  118 – 120, hier S.  118. 142 Ebd., S.  120. Vgl. dazu Perram: Peter Handke (Anm.  59), S.  90: „It is quite obvious that Buch is criticizing Handke because he has, by implication not taken on the role of documentator of the then current ‚real‘ fears and terrors of our civilization.“ Macht man sich ein StĂŒck weit Handkes Perspektive zu eigen, lĂ€sst sich Buchs Ansatz als „Gesinnungskritik“ einordnen, die Pfohlmann: Kleines Lexikon der Literaturkritik (Anm.  98), S.  22, folgendermaßen definiert hat: „Pejorative Bezeichnung fĂŒr eine engagierte Kritik bzw. literaturkritische Position, der bei der Beurteilung von literarischen Werken eine bestimmte politische oder moralische Haltung oder Intention des Autors wichtiger ist als das Vorhandensein formal-Ă€sthetischer QualitĂ€ten, die also besonders auf die politischen Funktionen der Kritik rekurriert.“ 143 Peter Handke: Charakter-Studie. In: Der Spiegel, Nr.  4, 22. 1. 1968. Vgl. dazu bereits seine Äuße- rung in Hans Bertram Bock: „Ich wollte immer Kommunist werden“. AZ-GesprĂ€ch mit dem Beat- Autor Peter Handke. In: Abend-Zeitung, 8./9. 7. 1967: „Ich möchte kein StĂŒck ĂŒber Vietnam oder Ausschwitz schreiben. Moralische EntrĂŒstung ökonomisch zu verwerten, finde ich peinlich.“ Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 59 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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