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irrefĂŒhrender Behauptungenâ genötigt sah.152 Siegfried Unseld stellte er dieses
Mal bereits vor vollendete Tatsachen:
Vielleicht hast Du meine Entgegnung in der âZeitâ gelesen. Ich meinte, zu widerspre-
chen, und zwar auf genaue und ernste Weise, sei einmal nötig, sonst glaubt man, mit
all meinen Prosaarbeiten so oberflÀchlich umspringen zu können.153
Neben solchen ScharmĂŒtzeln um gelegentliche âRezensionsrezensionenâ 154 ent-
wickelte sich zwischen Handke und dem wohl prominentesten Kritiker Deutsch-
lands nach 1945, Marcel Reich-Ranicki, bald ein VerhĂ€ltnis âunerbittliche[r]
Gegnerschaftâ:155 eine Literaturfehde im besten Sinne, die von beiden Seiten in
einer Mischung aus immer wieder neu angefachter Angriffslust und schmerz-
hafter KrĂ€nkung ĂŒber viele Jahrzehnte in diversen medialen KanĂ€len der litera-
rischen Ăffentlichkeit gefĂŒhrt wurde â und im Grunde, trotz sanfterer Töne
gegen Ende, erst mit dem Tod des Kritikers im Sommer 2013 zu einem Abschluss
kam. Die Kontroverse zwischen Peter Handke und Marcel Reich-Ranicki wird
in Kapitel IV dieser Arbeit als exemplarischer Kampf zweier wirkmÀchtiger
Strategen im Fokus stehen.
152 Ebd., S.Â
171. Es greift zu kurz, in Handkes Antwort auf Kestings RezensionÂ
â wie dies Manfred
Durzak: Peter Handke und die deutsche Gegenwartsliteratur. NarziĂ auf Abwegen. Stuttgart
u. a.: Kohlhammer 1982, S. 14, tut â bloĂ eine âbeleidigte[ ] Entgegnung[ ]â zu sehen.
153 Handke an Unseld, 22. 5. 1970. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm. 16), S. 173. Vgl.
ebd.: âIch muĂ im ĂŒbrigen zugeben, daĂ ich einige Wut habe wegen einiger achtloser Bespre-
chungen wie der von M. Kesting.â Mehr als drei Dezennien spĂ€ter, in seinem Todesjahr 2002,
sprang Unseld seinem Autor schlieĂlich als Reaktion auf eine Kritik von Denis Scheck in der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Handke u. a. als âAutorenluderâ tituliert hatte, selbst mit
einem Leserbrief zur Seite. Vgl. ebd., S. 723 â 725.
154 Carlos Spoerhase: Ausweitung der literarischen Kampfzone: Was die Geschichte der aufklÀre-
rischen Rezensionskultur die aktuelle Reflexion ĂŒber Literaturkritik lehren könnte. In: Zeit-
schrift fĂŒr Germanistik. N. F. 19 (2009), H. 1, S. 171 â 178, hier S. 171.
155 Wagner: Handkes Endspiel (Anm. 97), S. 70.
Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 61
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471