Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Page - 137 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 137 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Image of the Page - 137 -

Image of the Page - 137 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

Text of the Page - 137 -

später wird Handke in Nachmittag eines Schriftstellers (1987) von seinem durch die Stadt Salzburg gehenden Alter Ego schreiben, dieser habe zwar „manchmal erfahren, daß auch die Kritik eine Kunst für sich war“; „die große Regel“ auf den Seiten des Feuilletons jedoch sei, „im besten Fall, das ausgefüllte Schema oder, im schlechtesten, ein Falschspiel, bei dem die Lust an der Sache längst gewichen war den raschen durchschaubaren Hintergedanken“  – „statt Kritik zu schaffen“, werde, so der Erzähler von Nachmittag eines Schriftstellers, „Winkel- politik“ betrieben.302 Ganz in diesem Sinne argumentiert der Autor auch in Ein- wenden und Hochhalten: Lest, Leute, daraufhin in dem besagten Machtblatt eine sogenannte Buchkritik: in fast jedem Fall wird da weder ein Buch sichtbar, noch wird eine Besprechung zur Lehre, sondern, Satz um Satz, das Ausspielen, dieses gegen jenen, jenes gegen diesen, zum Skandal: der totale, totalitäre Vordergrund. Würde das Wünschen helfen, so wäre folgendes mein Wunsch: eine Wiederholung, eine Erneuerung, eine Wiederbelebung der Haltung Walter Benjamins.303 Kann bereits dieser „Wunsch“ als Seitenhieb gegen Marcel Reich-Ranicki gelten  – dieser hatte dem Kritiker Benjamin vorgeworfen, aufgrund „seiner extremen Ichbezogenheit“ „zu sehr poetischer Denker“ gewesen zu sein 304  –, kulminiert Handkes Philippika gegen die Ausprägungen des Literaturbetriebs schließ- lich in der Kritik an einem Format, das Reich-Ranicki als prominentes Jury- mitglied von 1977 bis 1986 ganz wesentlich mitgeprägt hat: am Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preis.305 302 Handke: Nachmittag eines Schriftstellers (Anm.  31), S.  35. 303 Handke: Einwenden und Hochhalten (Anm.  287), S.  127. 304 Marcel Reich-Ranicki: Walter Benjamin. Der poetische Denker. [1972] In: M. R.-R.: Die Anwälte der Literatur. Stuttgart: DVA 1994, S.  227 – 236, hier S.  235. Vgl. Reich-Ranickis Erläu- terung ebd., S.  234 f.: „In der Kritik kommt es nicht darauf an, selber dichterisch zu denken, sondern das Dichten und Denken anderer zu erkennen und zu überprüfen, zu zeigen und einzuordnen.“ Zu dieser Konstellation vgl. auch Kap.  V, Abschnitt „Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt?“. 305 Vgl. Doris Moser: Der Ingeborg-Bachmann-Preis. Börse, Show, Event. Wien u. a.: Böhlau 2004, S.  185 f.: „Marcel Reich-Ranicki spielte vermutlich die wichtigste Rolle im Aufbau dessen, was Klagenfurt als Schlagwort im Lexikon des Literaturbetriebes heute bezeichnet, denn Reich- Ranicki ließ sein Kapital von Anfang an für den Wettbewerb arbeiten  […]. Reich-Ranicki hat den Wettbewerb maßgeblicher mitbestimmt als seine Kollegen aus den anderen Feuilletons, er nimmt  […] daher eine Position ein, die zwischen Management und Marketing anzusiedeln wäre.“ Gerade an dieser Ökonomisierung des Literaturbetriebs, für die Reich-Ranicki als cha- rakteristisches Beispiel dient, nimmt Handkes Rede denn auch konkret Anstoß. Zur „Ablehnung der gesamten Veranstaltung durch Autorenpersönlichkeiten wie Peter Handke und Gerhard Roth“ vgl. die kursorischen Bemerkungen ebd., S.  251, 278 f. u.  348 (Zit.); Handkes Januš-Rede Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 137 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
back to the  book Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik"
Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. Einsprüche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wären nicht so viele böse Worte zu verlieren …“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, Verbündete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche Schwätzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der Bühne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der Dürre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres Geschäft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚Natürlichkeit‘ 150
    3. Die „ästhetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses Unglück) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshändige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. Schnüffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der Lektüre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut Färber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke über/mit Ödön von Horváth 259
    7. Keine Axt für das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, Kofferträger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekärer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. Primärliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Strategen im Literaturkampf