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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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Page - 138 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik

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Statt sich Benjamins Haltung als Kritiker 306 zum Vorbild zu nehmen, werde „schon seit geraumer Zeit einmal im Jahr in einer sĂŒdlichen Stadt meines Hei- matlandes Österreich das minderwertigste, schĂ€ndlichste, menschenunwĂŒr- digste Spektakel abgehalten“, das nur scheinbar „im Namen und unter dem Zeichen der Kultur“ stehe.307 Wohl auf Bachmanns berĂŒhmte ErzĂ€hlung Jugend in einer österreichischen Stadt anspielend, wenn er davon spricht, dass in Klagen- furt „in allen Straßen, auf allen PlĂ€tzen, unter jedem Baum  [
] immer noch und fĂŒr immer die unschuldig-wissenden Augen der Ingeborg Bachmann auf- geschlagen sind“,308 bezeichnet Handke den unlauteren „Wettbewerb des Geistes“ als „niedrig und erniedrigend“ fĂŒr die Autorinnen und Autoren.309 WĂ€hrend ein „Wettbewerb der Körper“ „etwas sehr Schönes“ sein könne, erscheine ihm ein „Wettbewerb der Rede schon  [
] fragwĂŒrdiger, angewiesen auf Suggestion, immer behaftet mit dem Makel des Nachgeschmacks“; einem „Wettbewerb des Geistes, der Poesie“ jedoch kann Handke definitiv nichts abgewinnen, „sofern er nicht, wie im antiken Griechenland, vom Volk selbst entschieden wird: da hĂ€tte auch ich Lust, teilzunehmen und mit der Sprache meinen Weitsprung zu zeigen, mich zu freuen am Sieg, und mich zufriedenzugeben damit, der Besiegte zu sein.“ 310 Bei den Juroren des Bachmann-Preises handle es sich, so Handkes Vorwurf, um „ein[en] Trupp gravitĂ€tisch-nichtsnutziger Barbaren, vor denen ein paar arme, eifrige, beflissene Talente erzittern wie damals die gesamte KĂ€rntner Bevölkerung vor den TĂŒrken“.311 Dem Prinzip der Assoziation folgend weitet Handke seine wird zwar im Literaturverzeichnis von Mosers Studie angefĂŒhrt, spielt im Zuge ihrer Unter- suchung aber keine Rolle. 306 Vgl. etwa GĂ©rard Raulet: Einbahnstraße. In: Benjamin-Handbuch. Leben  – Werk  – Wirkung. Hg. v. Burkhardt Lindner. Unter Mitarb. v. Thomas KĂŒpper u. Timo Skrandies. Stuttgart, Wei- mar: Metzler 2006, S.  359 – 373, hier S.  362, der hervorhebt, „daß Benjamin die traditionelle Kunstkritik fĂŒr ĂŒberholt und den neuen Erfahrungsbedingungen unangemessen hĂ€lt“  – und damit zentrale EinwĂ€nde mit Handke teilt. 307 Handke: Einwenden und Hochhalten (Anm.  287), S.  127. 308 Ebd., S.  128. 309 Ebd., S.  129. 310 Ebd., S.  128 f. 311 Ebd., S.  128. Fast wortgleich findet sich diese Attacke in einem gut einen Monat nach der JanuĆĄ-Laudatio gefĂŒhrten Interview, dessen Wortlaut Handke spĂ€ter in einem offenen Brief in Teilen dementiert hat: „Waren Sie einmal beim Klagenfurter Literatur Wettbwerb [sic]? Haben Sie gesehen, wie da vor einem Trupp gravitĂ€tisch daherschreitender nichtsnutziger Barbaren ein paar eifrige, beflissene Talente herumkriechen? Finster! Gruselig! Das ist doch Kulturab- treibung. In der Kultur herrscht das reine Faustrecht.“ (Lothar Schmidt-MĂŒhlisch: Macht der stinkenden FĂ€ulnis. Wider die Abtreibung der Kultur  – Ein Welt-GesprĂ€ch mit Peter Handke. In: Die Welt, 27. 7. 1984) Der Interviewer ist in seiner Antwort auf Handkes Dementi auf die Übereinstimmung zwischen den Aussagen im Welt-GesprĂ€ch und der JanuĆĄ-Rede ausdrĂŒcklich Unfreundliche Betrachtungen: EinwĂ€nde gegen die Literaturkritik138 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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