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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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VerhĂ€ltnis[  ] von Literatur und (journalistischer) Literaturkritik“ ĂŒberhaupt gel- ten.4 Sie geht jedoch, das lĂ€sst sich schon eingangs sagen, weit ĂŒber das ĂŒbliche Maß der eingespielten Gegnerschaft zwischen beiden Fraktionen hinaus  – es lohnt sich, ihr im Detail nachzuspĂŒren, nicht zuletzt deshalb, weil in ihr ein zentraler Aspekt von Handkes streitbarer Werkpolitik besonders prĂ€gnant zum Ausdruck kommt. Die Konfliktgeschichte reicht, wie erwĂ€hnt, zurĂŒck bis in die Phase von Handkes Etablierung im literarischen Feld, und der ikonische Chronotopos ‚Princeton 1966‘ spielt dafĂŒr eine entscheidende Rolle. Im FrĂŒhjahr 1966 agi- tierte Handke im Rahmen der Tagung der Gruppe 47  – schon fast am Ende des Lesungsprogramms  – öffentlichkeitswirksam gegen die proliferierende ‚Beschrei- bungsimpotenz‘ von Literatur und Literaturkritik. Der 23-jĂ€hrige Schriftsteller war von Hans Werner Richter als vielversprechender Suhrkamp-DebĂŒtant und als Vertreter einer neuen Autorengeneration zu diesem ersten Treffen der Gruppe auf amerikanischem Boden eingeladen worden; Siegfried Unseld hatte sich mit Nachdruck fĂŒr ihn eingesetzt. Noch vor seiner Philippika im Anschluss an Hermann Peter Piwitts Lesung stelle Handke, dessen erstes Buch Die Hornissen kurz zuvor erschienen war, einen Abschnitt aus seinem aktuellen Romanprojekt Der Hausierer der kritischen Gruppenöffentlichkeit vor  – und stieß mit seiner spröden formalistischen Variation des Kriminalromangenres 5 besonders bei Reich-Ranicki auf wenig Gegenliebe: In seinem typischen, mit den Jahren zum Markenzeichen geronnenen Sprachgestus konstatiert Reich-Ranicki gleich zu Beginn seiner Wortmeldung, Handkes Text habe ihn „gelangweilt“, „ohne dass es 4 Karl Wagner: Handkes Endspiel. Literatur gegen Journalismus. In: Mediale Erregungen? Auto- nomie und Aufmerksamkeit im Literatur- und Kulturbetrieb der Gegenwart. Hg. v. Markus Joch, York-Gothart Mix u. Norbert Christian Wolf. TĂŒbingen: Niemeyer 2009, S.  65 – 76, hier S.  70. Vgl. dazu die ErgĂ€nzung von Norbert Christian Wolf: Autonomie und/oder Aufmerk- samkeit? Am Beispiel der medialen Erregungen um Peter Handke, mit einem Seitenblick auf Marcel Reich-Ranicki. In: ebd., S.  45 – 63, hier S.  58: „Die individuelle Idiosynkrasie zwischen einem Autor und seinem Kritiker lĂ€sst sich aber nicht allein auf diese allgemeine Opposi- tion reduzieren  [
]; sie wird im Gegenteil immer auch durch spezifische Mikrokonstellatio- nen begĂŒnstigt oder unwahrscheinlich gemacht, durch den spezifischen Literaturbegriff und den intellektuellen Habitus der beteiligten Personen, wie das ganz anders geartete VerhĂ€ltnis zwischen Peter Handke und Sigrid Löffler veranschaulicht.“ 5 Vgl. zum literarischen Verfahren des Hausierers Linda C. DeMeritt: Handkes Antigeschichten. Der Kriminalroman als Subtext in Der Hausierer und Die Angst des Tormanns beim Elfmeter. In: Experimente mit dem Kriminalroman. Ein ErzĂ€hlmodell in der deutschsprachigen Litera- tur des 20.  Jahrhunderts. Hg. v. Wolfgang DĂŒsing. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 1993, S.  185 – 203. Karl Wagner: Handke und die Gruppe 47. In: Zwischen Aufbegehren und Anpassung. Poetische Figurationen von Generationen und Generationserfahrung in der österreichischen Literatur. Hg. v. Joanna Drynda. Frankfurt a. M. u. a.: Lang 2012, S.  121 – 132, hier S.  126, hat den Roman als „strukturalistische[  ] Hardcore-Übung“ bezeichnet. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki142 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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