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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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standen, als hinterhĂ€ltigen Verrat des Verlegers.238 Im Februar 1981 eskalierte der Konflikt schließlich in einem wĂŒtenden Brief Handkes, dessen „gnadenlose Generalabrechnung“ 239 noch deutlicher als ein Jahr zuvor die AnkĂŒndigung enthielt, den Verlag zu verlassen  – eine Drohung, die der Autor freilich nie wahr machen sollte: Lieber Siegfried (immer noch), die Zeit der LĂŒgen muß ein Ende haben. Schon an jenem Tag vor zwei Jahren, als ich am FrĂŒhstĂŒckstisch in Frankfurt in dem Sammelwerk des ĂŒbelsten Monstrums, das die deutsche Literaturbetriebsgeschichte je durchkrochen hat, die Widmung an Dich, meinen Verleger, gelesen habe (als Vorsatzblatt zu den nackt mordlustigen Artikeln ĂŒber ‚Wunschloses UnglĂŒck‘ und ‚Die linkshĂ€ndige Frau‘): ‚In alter Verbundenheit‘, da hĂ€tte ich die Pflicht vor mir und dem, was mir noch vorschwebt, gehabt, fĂŒr immer meine Arbeiten aus Deiner sogenannten Obhut zu nehmen.  [
] Unsere Wege trennen sich hiermit, unwiderruflich.240 Im Abstand von mehr als drei Jahrzehnten, im Oktober 2012, hat Handke sich in einem Interview mit der SĂŒddeutschen Zeitung noch einmal zu diesem Konflikt und seinen HintergrĂŒnden geĂ€ußert: Das war ein völlig sinnloser Amoklauf, aber er hat mich, so blöd dialektisch das klingt, auch befreit. Was Reich-Ranicki zu Langsame Heimkehr geschrieben hat, war nack- ter Vernichtungswille. Er wollte mich weghaben. Und am nĂ€chsten Tag hat Siegfried Unseld ihn empfangen, ihn bewirtet. Ich fĂŒhlte mich verraten und musste einen Aus- lauf suchen aus mir. Da habe ich eben losgelegt. Ich bedaure das nicht.241 Reich-Ranicki wiederum hat diese Szene am Schreibtisch des Verlegers, deren Nachwehen 1981 beinahe zum Bruch zwischen Handke und dem Suhrkamp Verlag 238 Ein Detail am Rande: Als Reich-Ranicki 1984 in der FAZ eine WĂŒrdigung zu Unselds 60. Geburts- tag druckte, sparte er Handke in seiner Liste bedeutender Suhrkamp-AutorInnen demonstrativ aus: „Ziffern allein besagen im Verlagsgewerbe doch nicht viel, es gehören die Namen dazu. Hier sind sie: Brecht, Hesse und die Marieluise Fleißer, die Kaschnitz, Nossack, Koeppen und Frisch, Eich, Huchel, Celan und Krolow, Peter Weiss und Hildesheimer, Uwe Johnson, Martin Walser, Enzensberger und Thomas Bernhard.“ (Marcel Reich-Ranicki: Siegfried Unseld oder Die Wollust am Buch. [1984] In: M. R.-R.: Lauter Lobreden. Stuttgart: DVA 1985, S.  116 – 121, hier S.  117 f.) 239 Herwig: Meister der DĂ€mmerung (Anm.  196), S.  291. 240 Handke an Unseld, 25. 2. 1981. In: Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  60), S.  431 f. 241 Malte Herwig/Sven Michaelsen: „Ich wĂ€re liebend gern ein Böser“. [GesprĂ€ch mit Peter Handke.] In: SĂŒddeutsche Zeitung Magazin, Nr.  42, 19. 10. 2012, S.  52 – 57, hier S.  53. „Mein Feind in Deutschland“: Peter Handke vs. Marcel Reich-Ranicki192 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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