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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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des Autors Handke in den Jahren 1978/1979 angelehnt.308 Indem der Ich-ErzĂ€hler im Folgenden die Rezeption der Langsamen Heimkehr, die seine „Generations- genossen“ von ihm abrĂŒcken habe lassen, rekonstruiert, wird ein weiteres Mal die Kontroverse mit seinem journalistischen Erzkontrahenten aufgerufen: Die Besprechungen waren so oder so. Nur einer der Kritiker, der schlaueste und zugleich beschrĂ€nkteste, und der seine Begrenztheit fĂŒr Einfachheit ausgab, erschnĂŒf- felte etwas und meinte, daß ein BedĂŒrfnis nach Heil, wie es einem der Helden auf die Augenlider drĂŒckt, ein verunglĂŒcktes Bild sei, und fragte sich, ob auf die Knie zu fallen, wie es im Verlauf der Begebenheiten einem geschah, eine geeignete Haltung zum Denken sei.309 Offenkundig werden hier die von Reich-Ranicki gegen Langsame Heimkehr ins Treffen gefĂŒhrten EinwĂ€nde paraphrasiert und in den ErzĂ€hltext eingespeist,310 um wenige Seiten spĂ€ter sowohl die Hunde-Episode aus der Lehre der Sainte- Victoire als auch den Konflikt zwischen Handke und Unseld erneut ins Spiel zu bringen; wiederum bemĂŒht der Autor dabei den Vergleich Reich-Ranickis mit einem Tier. Dieses Mal jedoch konnte, obgleich Namen und Zeitebenen im Zuge einer sanften Fiktionalisierung verfremdet und verschoben sind, von Beginn an kein Zweifel am ‚biographischen SchlĂŒssel‘ der SĂ€tze bestehen:311 308 Vgl. Handke/Unseld: Der Briefwechsel (Anm.  60), S.  350 u.  352. Dazu die Dokumentation der Textgenese der Langsamen Heimkehr bei Ines Barner: „Nie wieder will ich Masken sehen“. Zur Entstehung von Peter Handkes ErzĂ€hlung Langsame Heimkehr (1979). In: Jahrbuch der Deut- schen Schillergesellschaft 58 (2014), S.  355 – 385, bes. S.  357 – 362, die, im Gegensatz zu frĂŒheren Darstellungen, besonders den „große[n] Gestaltungsspielraum lektoralen Mitwirkens“ (S.  380) durch Elisabeth Borchers hervorhebt. Zur Bedeutung der Titel „Vorzeitformen“ und „SchimĂ€- rische[  ] Welt“ im ErzĂ€hlkontext der Niemandsbucht vgl. Gabriele Feulner: Mythos KĂŒnstler. Konstruktionen und Destruktionen in der deutschsprachigen Prosa des 20.  Jahrhunderts. Ber- lin: Erich Schmidt 2010, S.  282 f.; zu Borchers’ „Position im VerlagsgefĂŒge“ jetzt PaweƂ Zajas: Verlagspraxis und Kulturpolitik. BeitrĂ€ge zur Soziologie des Literatursystems. Paderborn: Fink 2019, S.  196 – 200. 309 Handke: Mein Jahr in der Niemandsbucht (Anm.  29), S.  405.  – Steiner: Literatur als Kritik der Kritik (Anm.  29), S.  153, hat darauf hingewiesen, „daß die Literaturkritik im fiktionalen Kon- tinuum der Niemandsbucht eine nicht unwesentliche Rolle spielt“. Dazu auch ebd., S.  156 – 158. 310 Vgl. Reich-Ranicki: Peter Handke und der liebe Gott (Anm.  129): „Viele Kritiker versuchten, ihm noch eine Weile treu zu bleiben und schrieben auch ĂŒber seine neuen Arbeiten meist kniend, also in einer Position, die weder das Denken noch das Schreiben begĂŒnstigt.“  – „Ist das BedĂŒrfnis nach Heil etwas Animalisches? Was soll das bedeuten, daß es auf die Augenlider drĂŒckt?  [
] Von nun an lesen wir die ErzĂ€hlung in der Hoffnung, Antworten auf die Fragen zu finden, die schon dieser weihevolle und offensichtlich verunglĂŒckte erste Satz aufwirft.“ 311 Vgl. etwa Thomas Steinfeld: Das Krokodil in meinem Herzen. Ein Prophet des Seßhaften: Peter Handke verbringt ein Jahr in der Niemandsbucht. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. 11. 1994: „Siegfried Unseld ‚vergiftet‘ die Gegend, und Marcel Reich-Ranicki kommt vor, doch SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 207 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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