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Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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noch vor Erscheinen von Theorie der Prosa, als Leitlinie des Blicks auf avancierte Textverfahren hervorgehoben. Liest man Handkes ĂŒberaus wertschĂ€tzende Cha- rakterisierung von Eichenbaums und Ć klovskijs theoretischen Arbeiten, so wird rasch deutlich, warum der junge Autor sich fĂŒr die Methoden der Formalisten begeistern konnte: „Dies ist eins [sic] der wichtigsten Erkenntnisse des Forma- lismus: daß sprachliche Elemente Eigenwert haben.“ 17 In seiner Wellershoff-Rezension moniert Handke, dass in den Texten des Bandes aufgrund ihrer erzĂ€hlerischen KonventionalitĂ€t „auf nichts  [
] auf- merksam gemacht“ werde.18 Dieser Vorwurf korrespondiert mit der program- matischen Forderung in Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms, eine neue „Methode“ des Schreibens eröffne zuallererst die Möglichkeit, „aufmerksam zu machen und aufmerksam zu werden“, besitze also das Vermögen, sowohl die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser als auch jene des Autors selbst zu schĂ€r- fen und zu schulen.19 Beide Formen des Schreibens ĂŒber Literatur, die literatur- kritische Kommentierung fremder Texte wie die poetologische Selbstreflexion, beziehen bei Handke wichtige Impulse aus den Forschungen der Formalisten, die in den 1910er und 1920er Jahren die Ă€sthetische Revolution der russischen Avantgarde theoretisch flankiert hatten. 1969 erklĂ€rte Handke deren AnsĂ€tze, die fĂŒr ihn eine entscheidende Orientierungsmarke darstellten, zur „wichtigs- te[n], methodisch-literarische[n] Schule, die am Anfang des 20.  Jahrhunderts ĂŒberhaupt entstanden ist“.20 Handkes Kritik am Wochenende-Band, wonach keiner der Autoren „die Methode als Widerstand“ einsetze, „als sei das GeschichtenerzĂ€hlen die gege- bene, natĂŒrliche Art der Vermittlung von Wirklichkeit“,21 findet ihre literatur- theoretische Entsprechung in Ć klovskijs berĂŒhmtem, zunĂ€chst 1916 im russischen Original veröffentlichtem Aufsatz Kunst als Kunstgriff (spĂ€ter auch, mit anderem Akzent, als Die Kunst als Verfahren ĂŒbersetzt 22). Ć klovskijs Überzeugung, das „Ziel der Kunst“ mĂŒsse die FĂ€higkeit sein, „uns ein Empfinden fĂŒr das Ding zu Paratextuelle Politik und Praxis. Interdependenzen von Werk und Autorschaft. Hg. v. Martin GerstenbrĂ€un-Krug u. Nadja Reinhard. Wien: Böhlau 2018, S.  271 – 292, bes. S.  276 – 279 u.  285 f. 17 Peter Handke: „BĂŒcherecke“ vom 11. 10. 1965. In: P. H.: Tage und Werke (Anm.  3), S.  240 – 248, hier S.  244. 18 Handke: Bei Abschied Regen (Anm.  6), S.  112. 19 Handke: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms (Anm.  9), S.  26; vgl. Lorenz: Pro domo (Anm.  7), S.  408 f. 20 Peter Handke im GesprĂ€ch mit Friedrich Luft. [1969] In: https://www.youtube.com/watch?v= fMPW00m_gZc (Stand 14. 10. 2020), 11:42 – 11:49. 21 Handke: Bei Abschied Regen (Anm.  6), S.  112. 22 Vgl. Viktor Ć klovskij: Die Kunst als Verfahren. [1916] In: Russischer Formalismus. Texte zur allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa. Hg. v. Jurij Striedter. MĂŒnchen: Fink 41988, S.  3 – 35. Peter Handkes Gegenmodelle zur zeitgenössischen Literaturkritik224 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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