Page - 301 - in Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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nÀher bekannt: Ernst Schönwiese war wie Georg Eberl Mitarbeiter des Demo-
kratischen Volksblatts; Gerhard Amanshauser, Georg Eberl, Elisabeth Effenberger
oder Thea Manzl, deren Auftritte Bernhard als Kritiker besprach, prÀsentierten
in denselben Lesungsreihen wie er ihre BĂŒcher 100 bzw. publizierten zeitnah in
jenen Anthologien und SammelbÀnden, in die auch Bernhards erste Texte auf-
genommen wurden (z. B. Hans Weigels Jahrbuch Stimmen der Gegenwart, 1954;
Salzburg von AâZ, 1954; Die ganze Welt in meines Herzens Enge, 1955). Gemein-
sam mit Elisabeth Effenberger und dem bildenden KĂŒnstler Josef Hödlmoser war
er an der GrĂŒndung und Organisation der im Sommer stattfindenden âWochen
österreichischer Dichtungâ (spĂ€ter: âForum Hohensalzburgâ) beteiligt, bei denen
schon im ersten Jahr u. a. Christine Busta, Jeannie Ebner, Marlen Haushofer und
Christine Lavant zu Gast waren und 1956 ein geplanter Auftritt von Gottfried
Benn nur durch dessen Tod verhindert wurde.101 Bernhard trat im Zuge der
âWochen österreichischer Dichtungâ nicht nur als Organisator,102 sondern auch
als Leser eigener und Rezitator fremder Texte auf und rezensierte 1955 sogar eine
Lesung des deutschen Schriftstellers Bernt von Heiseler in den Salzburger Nach-
richten 103Â â ein veritabler Interessenkonflikt. 1955 und 1956 nahm er zudem an
den als Vernetzungstreffen bekannten Jugendkulturwochen in Innsbruck teil.104
Im RĂŒckblick hat Bernhard in diesem Zusammenhang von Erfahrungen der
âDegradierungâ und allgegenwĂ€rtiger âRivalitĂ€tâ gesprochen, die etwa sein Ver-
hÀltnis zu Gerhard Amanshauser geprÀgt habe.105 Amanshauser hatte 1952, ebenso
wie Elisabeth Effenberger, im Rahmen der Verleihung des Georg-Trakl-Preises
an Maria Zittrauer einen Anerkennungspreis erhalten, wÀhrend Bernhard, der
ebenfalls Texte eingereicht hatte, nicht zum Zug kam. War der Anerkennungspreis
auch mit keiner Geldsumme, sondern lediglich mit der Ăberreichung einer Trakl-
Gesamtausgabe verbunden, bedeutete er doch Aufmerksamkeit, symbolisches
100 Zu Bernhards ersten eigenen Lesungen in Salzburg vgl. Habringer: Der Auswegsucher (Anm.Â
26),
S. 35 f.; Mittermayer: Das Salzburg des Thomas Bernhard (Anm. 78), S. 36.
101 Vgl. Ursula A. Schneider/Annette Steinsiek: Mengenlehre. Christine Lavant und die âWochen
österreichischer Dichtungâ in Salzburg 1955. In: praesent (2004), S. 59 â 70; Mittermayer: âDie
brennende hilfesuchende Glutâ (Anm. 31), S. 206 f.
102 Vgl. Thomas Bernhard an Siegfried Melchinger, 3 Briefe, 1956. In: Deutsches Literaturarchiv
Marbach, Handschriftensammlung, A: Melchinger, HS.1999.0010. Bernhard lud den deutschen
Theaterkritiker Melchinger am 4. 3. 1956 brieflich zu einem Vortrag im Rahmen des âForum
Hohensalzburgâ ein und kĂŒmmerte sich in der Folge auch um organisatorische Belange wie
die Unterbringung des Referenten sowie die Vereinbarung von Honoraren und Fahrtspesen.
103 Vgl. Schneider/Steinsiek: Mengenlehre (Anm. 101), S. 63.
104 Vgl. Christina Riccabona/Erika Wimmer/Milena Meller: Die Ăsterreichischen Jugendkultur-
wochen 1950 â 1969 in Innsbruck. Innsbruck u. a.: StudienVerlag 2006, S.Â
47 â 52 u.Â
56; dazu auch
den Bericht in N. N.: Erfolgreiche junge Schriftsteller. In: Demokratisches Volksblatt, 5. 5. 1955.
105 Hofmann: Aus GesprÀchen mit Thomas Bernhard (Anm. 42), S. 88; vgl. auch TBW 22.2, 277.
Zur RivalitÀt zwischen Amanshauser und Bernhard vgl. Moritz: Lehrjahre (Anm. 44), S. 126.
Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 301
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471