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Kapitel und verbesserte Publikationsmöglichkeiten fĂŒr seine beiden Kollegen.106
Als drei Jahre spÀter die von Hansjörg Graf herausgegebene Anthologie Ahnung
und Gestalt (1955) BeitrÀge aller Trakl-PreistrÀger versammelte,107 waren denn
auch Amanshauser und Effenberger darin vertreten, wĂ€hrend Bernhard auĂen
vor bliebÂ
â der auch 1957 bei seiner nĂ€chsten Einreichung nicht erfolgreich war.108
Seine Behauptung, er habe âsicher mindestens fĂŒnf, sechs Mal beim Trakl-Preis
eingereicht, den hat dann immer der Amanshauser gekriegt oder irgendwerâ,109
ist wohl ĂŒbertrieben, wurde der Trakl-Preis doch nicht jĂ€hrlich, sondern nur
zu JubilÀen des Geburts- und Todestages des Lyrikers vergeben (also 1952, 1954,
1957, 1962 usw.).
Es fĂ€llt allerdings auf, dass BernhardÂ
â mit Ausnahme von Maria Zittrauer 110Â
â
gerade jene Autorinnen und Autoren, die 1952 mit einer Auszeichnung im Rahmen
des Trakl-Preises bedacht wurden (neben Amanshauser und Effenberger war dies
der Oberösterreicher Josef LaĂl, der einen mit 1000 Schilling dotierten Neben-
preis erhielt), in seinen Lesungsberichten besonders kritisch besprach. Als im
MĂ€rz 1953 in der Volkshochschule Gerhard Amanshauser gemeinsam mit Maria
Zittrauer auftrat, lobte Bernhard in seinem Artikel fĂŒr das Demokratische Volks-
blatt zunĂ€chst ausfĂŒhrlich die Lyrik der âGasteiner Dichterinâ, um im kĂŒrzeren
zweiten Teil seines Textes dem drei Jahre Àlteren Amanshauser zu bescheinigen,
dass seine Gedichte ânoch unreifâ und âunbeholfenâ seien: âDenn es genĂŒgt
nicht, Stimmungen einzufangenÂ
â man muĂ ihrer auch Herr werden.â (TBW 22.1,
138 f.) Drei Wochen spÀter legte er anlÀsslich einer zweiten Veranstaltung zum
Trakl-Preis Elisabeth Effenberger âSelbstkritik, nichts als Selbstkritik!â ans Herz,
weil sie sich mit ihrer âfrauliche[n], unselbstĂ€ndige[n] Lyrikâ als âallzu sehr im
Kunstgewerblichen des Wortes befangenâ gezeigt habe; Josef LaĂl, dessen Roman
zwar ânicht schlecht geschriebenâ sei, aber doch nicht habe ĂŒberzeugen können,
wurde nicht eben freundlicher behandelt (TBW 22.1, 149).111 Im Dezember 1953
106 Vgl. Hans Weichselbaum: Im Namen des Dichters. 45 Jahre Georg-Trakl-Preis fĂŒr Lyrik â
Geschichte und Dokumentation. Salzburg, Wien: Otto MĂŒller 1998, S. 10 â 12.
107 Vgl. Ahnung und Gestalt. Salzburger Almanach der Georg-Trakl-PreistrÀger. Zusammengestellt
u. eingeleitet v. Hansjörg Graf. Salzburg: Otto MĂŒller 1955; in der Riege der PreistrĂ€ger fehlte in
Ahnung und Gestalt lediglich Josef LaĂl, der, so Schneider/Steinsiek: Mengenlehre (Anm.Â
101),
S. 61, aufgrund seiner NS-Vergangenheit âausgeschlossen worden warâ.
108 Vgl. Weichselbaum: Im Namen des Dichters (Anm. 106), S. 16.
109 Hofmann: Aus GesprÀchen mit Thomas Bernhard (Anm. 42), S. 88.
110 Vgl. schon seinen ersten Bericht ĂŒber eine Lesung der Autorin im November 1952: âEine Dich-
terin, die mitten im Leben steht, und damit umzugehen weiĂ. Und wie! [âŠ] Man preist sich
glĂŒcklich, sie im Lande zu haben, bei all der Flut von âFormâ-Produktion, die uns allmĂ€hlich
den Hals zuschnĂŒrt. Die Dichterin hat den Trakl-Preis verdient!â (TBW 22.1, 83)
111 Dass Bernhard seine frĂŒheren Urteile auch Jahre spĂ€ter noch prĂ€sent waren, zeigt ein Eintrag
in Karl Ignaz Hennetmairs Tagebuch vom 2. 2. 1972: âDann kommt Thomas wieder auf LaĂl
zu sprechen und sagt, daĂ er vor 20Â
Jahren in Salzburg ĂŒber Dr. LaĂls Gedichte und die seiner
âZeitungsgâschichtâlnâ: Thomas Bernhard als
Literaturkritiker302
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471