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es ja von vornherein nicht meine Richtungssache war, nicht richtig handle, und
bin dann weggegangenâ, so Bernhard 1977 im GesprĂ€ch mit Peter Hamm (TBW
22.2, 115).213 Im Anfang der 1980er Jahre verfassten, aber erst 2009 veröffentlich-
ten Prosatext Meine Preise hat Bernhard seinen Austritt aus der âSozialistischen
Parteiâ, âin welche ich allerdings tatsĂ€chlich kurz zuvor eingetreten warâ, als Bei-
spiel seiner grundlegenden Abneigung gegenĂŒber âParteien und Vereinigungenâ
angefĂŒhrt (TBW 22.2, 430). Zu einer regelmĂ€Ăigen Mitarbeit in einer Zeitungs-
redaktion kam es in der Folge nicht mehr. Im Laufe des Jahres 1955 veröffent-
lichte er vereinzelte BeitrĂ€ge im MĂŒnchner Merkur (ĂŒber Josef Weinheber), im
Linzer Volksblatt (ĂŒber Venedig), in den Salzburger Nachrichten (ĂŒber eine Lesung
Bernt von Heiselers) und in der Wiener Wochenzeitung Die Furche, fĂŒr die er
vor allem ĂŒber Kunstausstellungen berichtete 214Â
â eine Aufgabe, die er auch 1956
noch gelegentlich ĂŒbernahm (vgl. TBW 22.1, 399 â 419).
Als Auftakt einer selbstbewussteren und betont provokativen Publikations-
praxis kann sein Angriff auf das Salzburger Landestheater in der Furche vom
3. Dezember 1955 gelten, der unter dem Titel Salzburg wartet auf ein Theater-
stĂŒck gedruckt wurde.215 Hatte Bernhard noch 1952 spekuliert, dass womöglich
ein hiesiger Schauspieler âden verwaisten âIfflandringâ tragenâ werde (TBW 22.1,
81), und die âĂberschwemmung unserer Theater mit amerikanischen, französi-
schen und englischen BĂŒhnenwerkenâ beklagt (TBW 22.1, 15), zielt seine Polemik
nun gerade auf die Ă€sthetische RĂŒckstĂ€ndigkeit und provinzielle BeschrĂ€nktheit
des dortigen Programms:
213 Vgl. auch Hofmann: Aus GesprĂ€chen mit Thomas Bernhard (Anm. 42), S. 43 f.: âEines
Tages kommâ ich hin, da sagt der [Josef] Kaut: âAlso jetzt geht das nimmer so, jetzt mĂŒssen
wir zur Partei gehen. Also, ich meinâ, so eine sozialistische Zeitung und nichts, das gibtâs
nicht.â [âŠ] Ich habâ mir gedacht, ist mir ganz wurscht, jetzt gehâ ich halt zur Partei. Und
vorgepickt die Mitgliedsmarken gleich auf ein halbes Jahr, dort an Ort und Stelle, und habâ
das alles unterschrieben, und damit war die Gâschicht erledigt. Ich bin heimgegangen und
habâ mir nachher gedacht, was hat denn jetzt eigentlich gâmacht? [âŠ] Und ich weiĂ genau,
am nĂ€chsten Tag oder am ĂŒbernĂ€chsten habâ ich das Parteibuch genommen, habâ einen Brief
gâschrieben [âŠ]. Ich habâ das eingeschrieben aufgegeben und dann gâschrieben, eigentlich
halte ich vom Sozialismus nichts und so, und hiermit schickâ ich das mit, das war ein Blöd-
sinn. Ich schickâ das wieder zurĂŒck, und die Gâschichtâ hat sich. Dann habâ ich mich nicht
mehr hingehân getraut zum Kaut, und da waren natĂŒrlich meine ganzen neunzig Schilling
am Tag hin. Es war alles aus. Da habâ ich dann, ich glaub zehn, fĂŒnfzehn Jahr, keinen Kon-
takt mehr gâhabt. War dort SchluĂ.â Zu Bernhards Abschied aus der Redaktion vgl. Moritz:
Lehrjahre (Anm. 44), S. 166 f.
214 Im Zuge seiner TĂ€tigkeit fĂŒr die Furche kam Bernhard auch mit Friedrich Heer in Kontakt,
der als Kulturredakteur fĂŒr die Wochenzeitung arbeitete. Vgl. Renate Langer: Hitlerbild und
Kreuz. Nationalsozialismus und Katholizismus bei Thomas Bernhard. In: Thomas Bernhard
Jahrbuch 2007/2008, S. 21 â 35, hier S. 32.
215 Vgl. dazu und zum Folgenden Gschwandtner: Journalistische Arbeiten (Anm. 84), S. 18 f.
âZeitungsgâschichtâlnâ: Thomas Bernhard als
Literaturkritiker330
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471