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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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es ja von vornherein nicht meine Richtungssache war, nicht richtig handle, und bin dann weggegangen“, so Bernhard 1977 im GesprĂ€ch mit Peter Hamm (TBW 22.2, 115).213 Im Anfang der 1980er Jahre verfassten, aber erst 2009 veröffentlich- ten Prosatext Meine Preise hat Bernhard seinen Austritt aus der „Sozialistischen Partei“, „in welche ich allerdings tatsĂ€chlich kurz zuvor eingetreten war“, als Bei- spiel seiner grundlegenden Abneigung gegenĂŒber „Parteien und Vereinigungen“ angefĂŒhrt (TBW 22.2, 430). Zu einer regelmĂ€ĂŸigen Mitarbeit in einer Zeitungs- redaktion kam es in der Folge nicht mehr. Im Laufe des Jahres 1955 veröffent- lichte er vereinzelte BeitrĂ€ge im MĂŒnchner Merkur (ĂŒber Josef Weinheber), im Linzer Volksblatt (ĂŒber Venedig), in den Salzburger Nachrichten (ĂŒber eine Lesung Bernt von Heiselers) und in der Wiener Wochenzeitung Die Furche, fĂŒr die er vor allem ĂŒber Kunstausstellungen berichtete 214  – eine Aufgabe, die er auch 1956 noch gelegentlich ĂŒbernahm (vgl. TBW 22.1, 399 – 419). Als Auftakt einer selbstbewussteren und betont provokativen Publikations- praxis kann sein Angriff auf das Salzburger Landestheater in der Furche vom 3.  Dezember 1955 gelten, der unter dem Titel Salzburg wartet auf ein Theater- stĂŒck gedruckt wurde.215 Hatte Bernhard noch 1952 spekuliert, dass womöglich ein hiesiger Schauspieler „den verwaisten ‚Ifflandring‘ tragen“ werde (TBW 22.1, 81), und die „Überschwemmung unserer Theater mit amerikanischen, französi- schen und englischen BĂŒhnenwerken“ beklagt (TBW 22.1, 15), zielt seine Polemik nun gerade auf die Ă€sthetische RĂŒckstĂ€ndigkeit und provinzielle BeschrĂ€nktheit des dortigen Programms: 213 Vgl. auch Hofmann: Aus GesprĂ€chen mit Thomas Bernhard (Anm.  42), S.  43 f.: „Eines Tages komm’ ich hin, da sagt der [Josef] Kaut: ‚Also jetzt geht das nimmer so, jetzt mĂŒssen wir zur Partei gehen. Also, ich mein’, so eine sozialistische Zeitung und nichts, das gibt’s nicht.‘  [
] Ich hab’ mir gedacht, ist mir ganz wurscht, jetzt geh’ ich halt zur Partei. Und vorgepickt die Mitgliedsmarken gleich auf ein halbes Jahr, dort an Ort und Stelle, und hab’ das alles unterschrieben, und damit war die G’schicht erledigt. Ich bin heimgegangen und hab’ mir nachher gedacht, was hat denn jetzt eigentlich g’macht?  [
] Und ich weiß genau, am nĂ€chsten Tag oder am ĂŒbernĂ€chsten hab’ ich das Parteibuch genommen, hab’ einen Brief g’schrieben  [
]. Ich hab’ das eingeschrieben aufgegeben und dann g’schrieben, eigentlich halte ich vom Sozialismus nichts und so, und hiermit schick’ ich das mit, das war ein Blöd- sinn. Ich schick’ das wieder zurĂŒck, und die G’schicht’ hat sich. Dann hab’ ich mich nicht mehr hingeh’n getraut zum Kaut, und da waren natĂŒrlich meine ganzen neunzig Schilling am Tag hin. Es war alles aus. Da hab’ ich dann, ich glaub zehn, fĂŒnfzehn Jahr, keinen Kon- takt mehr g’habt. War dort Schluß.“ Zu Bernhards Abschied aus der Redaktion vgl. Moritz: Lehrjahre (Anm.  44), S.  166 f. 214 Im Zuge seiner TĂ€tigkeit fĂŒr die Furche kam Bernhard auch mit Friedrich Heer in Kontakt, der als Kulturredakteur fĂŒr die Wochenzeitung arbeitete. Vgl. Renate Langer: Hitlerbild und Kreuz. Nationalsozialismus und Katholizismus bei Thomas Bernhard. In: Thomas Bernhard Jahrbuch 2007/2008, S.  21 – 35, hier S.  32. 215 Vgl. dazu und zum Folgenden Gschwandtner: Journalistische Arbeiten (Anm.  84), S.  18 f. „Zeitungsg’schicht’ln“: Thomas Bernhard als Literaturkritiker330 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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