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heiĂtâ,43 ist die Bestimmung des eigenen Schreibens ganz wesentlich davon
geprÀgt, es als Gegenentwurf zum bereits Vorhandenen, zu bereits etablierten
Ă€sthetischen Verfahren und zu Erwartungshaltungen von Publikum und Kritik
gleichermaĂen, zu positionieren.
Drei werkbiographische âSzenenâ sollen zentrale Aspekte der Arbeit zum
Abschluss ein letztes Mal anekdotisch in den Blick rĂŒcken: âEinmal freute
Philip Kobal sich innig ĂŒber seine Feindeâ, heiĂt es im 1998 veröffentlichten
Salzburger Journal Am Felsfenster morgens, das Aufzeichnungen aus den Jah-
ren 1982 bis 1987 enthĂ€lt, ĂŒber den Protagonisten der groĂen ErzĂ€hlung Die
Wiederholung (1986), âsie dienten ihm als Erkenntnismittelâ;44 und kurz zuvor
in Die Geschichte des Bleistifts (1982), mit dem Pathos dieser Jahre, das in den
BĂ€nden der Tetralogie Langsame Heimkehr seinen Ausdruck gefunden hat: âIn
jedem noch so dummbösen Angriff, der einem entgegengebracht wird, steckt
ein guter Satz fĂŒr die ewige ErzĂ€hlungâ.45 Wiederholt hat Peter Handke geĂ€uĂert,
dass ihn selbst hĂ€mische Rezensionen seiner BĂŒcher, an denen zumal Ende der
1970er, Anfang der 1980er Jahre kein Mangel herrschte, dazu ermuntert hÀt-
ten, sein im zeitgenössischen Kontext hochgradig eigensinniges Schreibpro-
jekt umso ĂŒberzeugter weiterzufĂŒhren: Er zweifle zwar stĂ€ndig an sich selbst
und dem Gelingen seiner erzĂ€hlerischen Arbeit: âAber das Seltsame ist, daĂ
ich gerade, wenn man mich niedermacht, am ehesten weiĂ, wer ich bin. Sonst
weiĂ ich das nicht.â 46 Wenn die Figur der Nova im 1981 veröffentlichten und
im Jahr darauf in der Salzburger Felsenreitschule uraufgefĂŒhrten StĂŒck Ăber
die Dörfer am Beginn ihres groĂen Schlussmonologs ankĂŒndigt, sie könne nur
âim Widerstandâ so âreden, wie ich reden werdeâ,47 ist damitÂ
â verkleidet in der
Fiktion der BĂŒhne â auch ein Grundprinzip von Handkes streitbarer Poetik
formuliert. Nicht von ungefÀhr hat Handke im Dezember 2019 Passagen aus
Ăber die Dörfer in seine Rede anlĂ€sslich der Verleihung des Literaturnobel-
preises aufgenommen.
Das Wort âTalschaftâ,48 ein âaltes, ĂŒbliches Wort fĂŒr eine Gegend aus einer
Mehrzahl von TĂ€lernâ, sei ihm, so Handke im Essay Ăber Lieblingswörter (1991),
gerade dadurch âans Herz gewachsenâ, âdaĂ ein geschĂ€tzter Kritiker es dann
43 Bourdieu: Die Regeln der Kunst (Anm. 9), S. 253.
44 Peter Handke: Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982 â 1987). Salzburg, Wien:
Residenz 1998, S. 155.
45 Handke: Die Geschichte des Bleistifts (Anm. 42), S. 229.
46 AndrĂ© MĂŒller: Im GesprĂ€ch mit Peter Handke. Weitra: Bibliothek der Provinz 1993, S. 90.
47 Peter Handke: Ăber die Dörfer. Dramatisches Gedicht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1981, S.Â
96.
48 Der Begriff findet sich in Peter Handke: Die Wiederholung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986,
S. 147 f. u. 152. Handke hat die Verwendung des Wortes in seinem ErzÀhltext selbst explizit
thema
tisiert: âWenn ich jetzt die Augen schlieĂe, öffnet sich vor mir ein weltentferner [sic], von
dem leeren fjordblauen See bestimmter, von den Gebirgen geschĂŒtzter, von den MorĂ€nenwellen
Kraft durch Feinde: Eine Art
Epilog408
© 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien
https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
Strategen im Literaturkampf
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Title
- Strategen im Literaturkampf
- Subtitle
- Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
- Author
- Harald Gschwandtner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21231-7
- Size
- 15.7 x 23.9 cm
- Pages
- 482
- Keywords
- Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- VORWORT 9
- I âSCHREIBEN IST EIN FĂNFKAMPFâ: EINE ART EINLEITUNG 13
- II âICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDENâ:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
- Legitimationen und Strategien 27
- EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Ăbung (Verstörung) 34
- âĂber diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren âŠâ: Handkes Hornissen nach Princeton 39
- Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
- Ein Buch ârehabilitierenâ? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
- III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWĂNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
- Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
- Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
- âvollkommen humorlos und blödâ: Bernhard und die Literaturkritik 82
- âvom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten VerriĂâ: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
- âunbeholfener lyrischer Unsinnâ: Bernhard redigiert eine Kritik â mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
- âekelhaft ekelhaft ekelhaftâ: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Ăber allen Gipfeln ist Ruh) 103
- Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
- Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
- Literaturkritik als âleeres GeschĂ€ftâ: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
- âIhr wart Vollblutschauspielerâ:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
- âSolche Wörter sollte man euch verbietenâ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
- Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
- IV âMEIN FEIND IN DEUTSCHLANDâ: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
- Princeton 1966 und die Folgen 141
- Poetik und Polemik oder: Das Problem der âNatĂŒrlichkeitâ 150
- Die âĂ€sthetischen Gewissensbisseâ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
- Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
- âschiefe Bilder und preziöse Vergleicheâ (Langsame Heimkehr) 170
- Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
- Mit CĂ©zanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
- Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
- SchnĂŒffeln und VerreiĂen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
- Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
- V âES SIND AUCH ANDERE SĂTZE MĂGLICHâ: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENĂSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
- âAber ich bin kein Kritikerâ 221
- Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
- Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
- âKritik, die zugleich eine Form der Begeisterung istâ: Helmut FĂ€rber 246
- âHaben Sie das gehört?â: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
- âwirklich unorthodoxâ: Handke ĂŒber/mit Ădön von HorvĂĄth 259
- Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
- Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
- VI âZEITUNGSGâSCHICHTâLNâ: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
- Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
- âIch glaube, da liegen die Wurzelnâ: Bernhard als Gerichtsreporter 284
- âKanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritikerâ 289
- âzuchtvoll und klarâ: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
- Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der âNS-ParnaĂâ 305
- âTraumfabrikâ und âRo-Ro-Ro-Kostâ: Kino und Taschenbuch 314
- Alte Zöpfe, neue Pferde 322
- âWas in den guten Jungen nur gefahren sein mag?â: erste Polemiken 329
- âIch kann kein Buch besprechenâ: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
- VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
- Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
- Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
- âein wirklicher Dichterâ: Kreisky verteidigt Handke 362
- The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
- Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
- Zwischen âGeisteskunstâ und âSelbstkorrekturâ: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
- Vom âStreben nach eigener Billigungâ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
- VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
- IX DANKSAGUNG 413
- X BIBLIOGRAPHIE 415
- XI PERSONENREGISTER 471