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Kunst und Kultur
Strategen im Literaturkampf - Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
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heißt“,43 ist die Bestimmung des eigenen Schreibens ganz wesentlich davon geprĂ€gt, es als Gegenentwurf zum bereits Vorhandenen, zu bereits etablierten Ă€sthetischen Verfahren und zu Erwartungshaltungen von Publikum und Kritik gleichermaßen, zu positionieren. Drei werkbiographische ‚Szenen‘ sollen zentrale Aspekte der Arbeit zum Abschluss ein letztes Mal anekdotisch in den Blick rĂŒcken: „Einmal freute Philip Kobal sich innig ĂŒber seine Feinde“, heißt es im 1998 veröffentlichten Salzburger Journal Am Felsfenster morgens, das Aufzeichnungen aus den Jah- ren 1982 bis 1987 enthĂ€lt, ĂŒber den Protagonisten der großen ErzĂ€hlung Die Wiederholung (1986), „sie dienten ihm als Erkenntnismittel“;44 und kurz zuvor in Die Geschichte des Bleistifts (1982), mit dem Pathos dieser Jahre, das in den BĂ€nden der Tetralogie Langsame Heimkehr seinen Ausdruck gefunden hat: „In jedem noch so dummbösen Angriff, der einem entgegengebracht wird, steckt ein guter Satz fĂŒr die ewige ErzĂ€hlung“.45 Wiederholt hat Peter Handke geĂ€ußert, dass ihn selbst hĂ€mische Rezensionen seiner BĂŒcher, an denen zumal Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre kein Mangel herrschte, dazu ermuntert hĂ€t- ten, sein im zeitgenössischen Kontext hochgradig eigensinniges Schreibpro- jekt umso ĂŒberzeugter weiterzufĂŒhren: Er zweifle zwar stĂ€ndig an sich selbst und dem Gelingen seiner erzĂ€hlerischen Arbeit: „Aber das Seltsame ist, daß ich gerade, wenn man mich niedermacht, am ehesten weiß, wer ich bin. Sonst weiß ich das nicht.“ 46 Wenn die Figur der Nova im 1981 veröffentlichten und im Jahr darauf in der Salzburger Felsenreitschule uraufgefĂŒhrten StĂŒck Über die Dörfer am Beginn ihres großen Schlussmonologs ankĂŒndigt, sie könne nur „im Widerstand“ so „reden, wie ich reden werde“,47 ist damit  – verkleidet in der Fiktion der BĂŒhne  – auch ein Grundprinzip von Handkes streitbarer Poetik formuliert. Nicht von ungefĂ€hr hat Handke im Dezember 2019 Passagen aus Über die Dörfer in seine Rede anlĂ€sslich der Verleihung des Literaturnobel- preises aufgenommen. Das Wort „Talschaft“,48 ein „altes, ĂŒbliches Wort fĂŒr eine Gegend aus einer Mehrzahl von TĂ€lern“, sei ihm, so Handke im Essay Über Lieblingswörter (1991), gerade dadurch „ans Herz gewachsen“, „daß ein geschĂ€tzter Kritiker es dann 43 Bourdieu: Die Regeln der Kunst (Anm.  9), S.  253. 44 Peter Handke: Am Felsfenster morgens (und andere Ortszeiten 1982 – 1987). Salzburg, Wien: Residenz 1998, S.  155. 45 Handke: Die Geschichte des Bleistifts (Anm.  42), S.  229. 46 AndrĂ© MĂŒller: Im GesprĂ€ch mit Peter Handke. Weitra: Bibliothek der Provinz 1993, S.  90. 47 Peter Handke: Über die Dörfer. Dramatisches Gedicht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1981, S.  96. 48 Der Begriff findet sich in Peter Handke: Die Wiederholung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1986, S.  147 f. u.  152. Handke hat die Verwendung des Wortes in seinem ErzĂ€hltext selbst explizit thema tisiert: „Wenn ich jetzt die Augen schließe, öffnet sich vor mir ein weltentferner [sic], von dem leeren fjordblauen See bestimmter, von den Gebirgen geschĂŒtzter, von den MorĂ€nenwellen Kraft durch Feinde: Eine Art Epilog408 © 2021 by Böhlau Verlag GmbH & Co. KG, Zeltgasse 1, 1080 Wien https://doi.org/10.7788/9783205212317 | CC BY-NC-ND 4.0
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Strategen im Literaturkampf Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Title
Strategen im Literaturkampf
Subtitle
Thomas Bernhard, Peter Handke und die Kritik
Author
Harald Gschwandtner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2021
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-21231-7
Size
15.7 x 23.9 cm
Pages
482
Keywords
Kulturjournalisten, Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, Peter Handke, Thomas Bernhard
Category
Kunst und Kultur

Table of contents

  1. VORWORT 9
  2. I „SCHREIBEN IST EIN FÜNFKAMPF“: EINE ART EINLEITUNG 13
  3. II „ICH KANN MICH DAMIT SCHWER ABFINDEN“:KRITIK DER KRITIK ALS WERKPOLITIK 27
    1. Legitimationen und Strategien 27
    2. EinsprĂŒche gegen die Kritik: eine verbotene Übung (Verstörung) 34
    3. „Über diesen Roman wĂ€ren nicht so viele böse Worte zu verlieren 
“: Handkes Hornissen nach Princeton 39
    4. Fronten, VerbĂŒndete, Kampfbegriffe 49
    5. Ein Buch „rehabilitieren“? (Die Hornissen, Der Hausierer) 55
  4. III UNFREUNDLICHE BETRACHTUNGEN: EINWÄNDE GEGEN DIE LITERATURKRITIK 63
    1. Sehlustfeindliche SchwÀtzer 63
    2. Vom Zeitungswahnsinn bedroht (Wittgensteins Neffe, Nachmittag eines Schriftstellers) 70
    3. „vollkommen humorlos und blöd“: Bernhard und die Literaturkritik 82
    4. „vom peinlichsten Lob bis zum bösartigsten Verriß“: Bernhard liest Rezensionen (Frost) 87
    5. „unbeholfener lyrischer Unsinn“: Bernhard redigiert eine Kritik – mit einem Exkurs zu Elias Canetti 95
    6. „ekelhaft ekelhaft ekelhaft“: Kritiken auf der BĂŒhne (Der Ignorant und der Wahnsinnige, Minetti, Über allen Gipfeln ist Ruh) 103
    7. Von der DĂŒrre der Theaterkritik oder: Landwirte und Rezensenten 112
    8. Nur selten ein Sommerhemd: Handke liest Rezensionen 117
    9. Literaturkritik als ‚leeres GeschĂ€ft‘: Handkes Vorarbeiten im Radio 120
    10. „Ihr wart Vollblutschauspieler“:Handke und die Phrasen der Kritik (Publikumsbeschimpfung) 126
    11. „Solche Wörter sollte man euch verbieten“ oder:Erstsprache vs. Zweitsprache 129
    12. Einwenden und Hochhalten: Handkes Rede gegen die Literaturkritik 133
  5. IV „MEIN FEIND IN DEUTSCHLAND“: PETER HANDKE VS. MARCEL REICH-RANICKI 141
    1. Princeton 1966 und die Folgen 141
    2. Poetik und Polemik oder: Das Problem der ‚NatĂŒrlichkeit‘ 150
    3. Die „Àsthetischen Gewissensbisse“ des Peter Handke (Wunschloses UnglĂŒck) 156
    4. Schleichende Eskalation: die 1970er Jahre (Die linkshÀndige Frau, Das Gewicht der Welt) 159
    5. „schiefe Bilder und preziöse Vergleiche“ (Langsame Heimkehr) 170
    6. Die Bestie von Puyloubier (Die Lehre der Sainte-Victoire) 175
    7. Mit Cézanne gegen die Hunde (Die Lehre der Sainte-Victoire) 183
    8. Im Bunde? Reich-Ranicki, Bernhard und Unseld 189
    9. SchnĂŒffeln und Verreißen (Mein Jahr in der Niemandsbucht) 204
    10. Unversöhnt: letzte Gefechte (In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus) 212
  6. V „ES SIND AUCH ANDERE SÄTZE MÖGLICH“: PETER HANDKES GEGENMODELLE ZUR ZEITGENÖSSISCHEN LITERATURKRITIK 221
    1. „Aber ich bin kein Kritiker“ 221
    2. Ein Leseerlebnis beschreiben: Handke rezensiert Hermann Lenz 228
    3. Abenteuergeschichte der LektĂŒre: Handke liest Bernhards Verstörung 239
    4. „Kritik, die zugleich eine Form der Begeisterung ist“: Helmut FĂ€rber 246
    5. „Haben Sie das gehört?“: Wolfgang Bauer, The Beatles, Gert Jonke 251
    6. „wirklich unorthodox“: Handke ĂŒber/mit Ödön von HorvĂĄth 259
    7. Keine Axt fĂŒr das gefrorene Meer in uns: Franz Kafka, Karin Struck 262
    8. Der Autor als Kritiker: ein Rollenkonflikt? 266
  7. VI „ZEITUNGSG’SCHICHT’LN“: THOMAS BERNHARD ALS LITERATURKRITIKER 273
    1. Vor eines Dichters Grab: Johannes Freumbichler 273
    2. „Ich glaube, da liegen die Wurzeln“: Bernhard als Gerichtsreporter 284
    3. „Kanzlist, KoffertrĂ€ger und Kunstkritiker“ 289
    4. „zuchtvoll und klar“: Bernhard als Literaturkritiker im Salzburger Demokratischen Volksblatt 293
    5. Verschweigen und Verzeihen: Bernhard und der „NS-Parnaß“ 305
    6. „Traumfabrik“ und „Ro-Ro-Ro-Kost“: Kino und Taschenbuch 314
    7. Alte Zöpfe, neue Pferde 322
    8. „Was in den guten Jungen nur gefahren sein mag?“: erste Polemiken 329
    9. „Ich kann kein Buch besprechen“: Absagen und Stellvertretungen (Alte Meister, Auslöschung) 333
  8. VII REZENSIONEN, DIE KEINE SIND: KRITIK UND SELBSTKRITIK BEI THOMAS BERNHARD 343
    1. Vorgeschichten einer Polemik: Bernhard vs. Bruno Kreisky 343
    2. Politische Polemik als Literaturkritik (Gerhard Roth, Peter Turrini) 357
    3. „ein wirklicher Dichter“: Kreisky verteidigt Handke 362
    4. The Return of the Critic oder: Ausweitung der Kampfzone 369
    5. Bernhard als Kritiker seiner selbst (Korrektur) 372
    6. Zwischen „Geisteskunst“ und „Selbstkorrektur“: Szenen prekĂ€rer Autorschaft (Korrektur, Am Ortler) 379
    7. Vom „Streben nach eigener Billigung“ (Der Untergeher, Der Theatermacher) 386
  9. VIII KRAFT DURCH FEINDE: EINE ART EPILOG 397
  10. IX DANKSAGUNG 413
  11. X BIBLIOGRAPHIE 415
    1. PrimÀrliteratur und Quellen 415
    2. Literatur- und Kulturtheorie 433
    3. Forschungsliteratur 435
    4. Rezensionen, Presseberichte, Journalistisches 463
    5. Fernsehsendungen, Audiovisuelle Medien, Webpages 469
  12. XI PERSONENREGISTER 471
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