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ten.33 Charakteristisch für den schwindenden Einfluss der Jesuiten ist der Eklat
um Montesquieus Esprit des lois (1748). Die Jesuiten hatten das Werk 1750 ver-
boten und bekämpften es weiterhin in der Zensurkommission, deren Mitglieder
befürworteten aber mehrheitlich seine Zulassung. Auch der Verfasser, der seit
seinem Besuch in Wien intensive Kontakte zu einflussreichen Persönlichkeiten
in der Stadt unterhielt, intervenierte in eigener Sache. Er schrieb dem französi-
schen Gesandten in Wien, dass ein Verbot in Wien angesichts des großen Pres-
tiges des Wiener Hofes unter Maria Theresia der Wirkung seines Werks großen
Schaden zufügen würde.34 Schließlich entschied die Kaiserin, wenn auch mit
Verspätung, 1752 im Sinn der Mehrheit der Kommission.35
Mit der Neuorganisation der Zensur wurde auch den Bücherverbrennungen
von staatlicher Seite ein Ende gesetzt. Zwar fanden hin und wieder Bücherver-
brennungen auf kaiserliche Anordnung statt, so in Frankfurt 1766 im Fall eines
gotteslästerlichen Buches mit dem Titel Chandelle d’Arras von Henri-Joseph
Laurens36 oder in den österreichischen Niederlanden.37 In Pressburg, das heißt
in Ungarn, wurde 1765 auf Betreiben des Wiener Hofs ein anonymes Werk mit
dem Titel Vexatio dat intellectum verbrannt, das auf eine Schrift von Franz Adam
Kollár antwortete, in welcher der Verfasser den ungarischen Ständen unliebsa-
me Vorschläge zur Minderung ihrer Privilegien gemacht hatte.38
Auch ist von nichtöffentlichen Verbrennungen die Rede, zum Beispiel um 1769
auf Veranlassung von Joseph II.39 oder innerhalb von van Swietens Zensurkom-
mission, wo beschlagnahmte Bücher üblicherweise zerrissen wurden; ob statt-
dessen nun das eine oder andere Buch im Kamin der Präfektur in der Hofbiblio-
thek bzw. in van Swietens Wohnung landete,40 macht wohl keinen großen
Unterschied. Es geht fortan nur noch ganz sachlich um die ,Vertilgung‘ der Bücher.
Da Papier noch kaum wiederverwertet wurde, allenfalls als Verpackungsmateri-
al oder Makulatur diente, wurden Bücher eben mitunter verbrannt. Mit der ritu-
ellen öffentlichen Verbrennung durch den Henker ist es in Zeiten der vordrin-
genden Aufklärung und Rationalisierung aller Lebensbereiche aber vorbei.
33 Vgl. Klingenstein: Staatsverwaltung und kirchliche Autorität, S. 106–115.
34 Vgl. Justus Schmidt: Voltaire und Maria Theresia. Französische Kultur des Barock in ihren
Beziehungen zu Österreich. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 11
(1931), S. 73–115, hier S. 83–84.
35 Vgl. Klingenstein: Staatsverwaltung und kirchliche Autorität, S. 177–178.
36 Vgl. Rafetseder: Bücherverbrennungen, S. 229 u. 238.
37 Siehe ebd., S. 252–257.
38 Vgl. ebd., S. 247–250.
39 Siehe Eisenhardt: Die kaiserliche Aufsicht, S. 115.
40 Von der Verbrennung von Büchern durch die Wiener Zensoren berichtet Friedrich Nicolai:
Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781. Bd. 4. Berlin,
Stettin: Nicolai 1784, S. 858–859. 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 51
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510