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und Diderot in enger Verbindung stand. Zwischen 1755 und 1764 brachte er die
Erstausgaben von Rousseaus Werken heraus, von 1766 bis 1778 viele Titel von
Voltaire,143 wenn auch nicht exklusiv, was zu Spannungen zwischen Verleger und
Autoren führte.144 Als Freund und verlegerisches Sprachrohr der ,Philosophen‘
wurde Rey von den französischen Machthabern als Verbreiter von Gift angese-
hen.145
Neben den von französischen Verlagen im Ausland herausgebrachten Wer-
ken dürfte ein gewisser Anteil der niederländischen Publikationen in französi-
scher Sprache Nachdruck sein. Verbot und Nachdruck sind im französischspra-
chigen Raum eng verschwistert, da nur durch königliches Privileg zugelassene
Werke formell gegen Nachdruck geschützt, alle anderen, auch die nur stillschwei-
gend tolerierten Werke aber rechtlich vogelfrei waren. Die Angabe ,Amsterdam‘
ist als Verlagsort beinahe so häufig wie ,London‘ und ,Leipzig‘, das als führender
Verlagsort im deutschsprachigen Raum wenig überraschend der führende Lie-
ferant für in Österreich verbotene Literatur war, auf den Verbotslisten anzutref-
fen. Noch häufiger taucht nur die Doppelung ,Frankfurt und Leipzig‘ auf, die,
speziell wenn sie ohne Verlagsnamen blieb, auch oft der Tarnung diente.
Mit John Nourse (10.) findet sich im Spitzenfeld ferner ein Londoner Verlag,
der englische, aber auch in großem Stil französische und einige deutschsprachi-
ge Literatur herausbrachte.146 Der Verlagsort ,Londres‘ wird bei französischer
Literatur vermutlich meist nur eine Tarnadresse für einen oder sogar mehrere
Pariser Verlage gewesen sein, darüber hinaus soll Nourse auch im Namen von
Voß (Berlin) verlegt haben oder – wahrscheinlicher – Voß den Namen entlehnt
haben. In Frankreich wurde der Name ,Jean Nourse‘ mit Augenzwinkern auf
Titelblätter gesetzt, was auf seine allgemeine Bekanntheit als Deckname schlie-
ßen lässt: „Toujours à Londres, chez l’éternel Jean Nourse.“147 Vergleichsweise
klein ist die Anzahl der Bücher, die von Pariser Verlagen stammten, hier sind
nur Duchesne (9.), Delalain (30.) und Garnéry (53.) zu nennen. Wie die obigen
Erläuterungen klar gemacht haben sollten, sind die angegebenen Orte aber sehr
oft nicht die realen Verlagsorte, unter den zahlreichen fingierten Angaben fin-
det sich wahrscheinlich eine große Zahl sehr wohl in Frankreich gedruckter
Schriften.
143 Jeroom Vercruysse: Voltaire et Marc Michel Rey. In: Studies on Voltaire and the Eighteenth
Century 58 (1967): Transactions of the Second international congress on the Enlightenment
IV, S. 1707–1763.
144 Vgl. Raymond Birn: Rousseau et ses éditeurs. In: Revue d’histoire moderne et contemporai-
ne 40, No. 1 (1993), S. 120–136.
145 Siehe Berkvens-Stevelinck: L’édition française en Hollande, S. 414.
146 Vgl. John Feather: John Nourse and His Authors. In: Studies in Bibliography
34 (1981), S.
205–
226.
147 Sauvy: Livres contrefaits et livres interdits, S. 139.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
90 2. Im Dienst der Aufklärung: Die Zensur zwischen 1751 und 1791
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510