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und nicht zuletzt durch flächendeckende Präventivzensur im Deutschen Bund.
Ein erster Restaurationsschub erfolgte bereits 1815 mit der Bundesakte des Wie-
ner Kongresses, 1819 folgten die Karlsbader Beschlüsse. Metternich hatte die
Ermordung Kotzebues, der als Spion für Russland arbeitete und es gewagt hatte,
seinen Spott über die deutschen Nationalisten auszulassen, durch den Studenten
Karl Sand zum Anlass genommen, die ohnehin erst schwach ausgebildeten kon-
stitutionellen Elemente im Deutschen Bund zurückzufahren und die generelle
Zensur aller Schriften unter 20
Bogen Umfang einzuführen. Der Deutsche Bund
spaltete sich daraufhin in eher liberale (Bayern, Württemberg, Baden) und in
reaktionäre Staaten (Österreich, Preußen). Die Karlsbader Beschlüsse wurden in
Österreich nicht einmal veröffentlicht, da sie eine Lockerung im Vergleich zu den
geltenden Zensurbestimmungen bedeutet hätten. Zum Beispiel galt in Österreich
die 20-Bogen-Klausel nicht, hier wurden alle Manuskripte, unabhängig vom
Umfang, gleich behandelt und präventiv zensuriert.
Zur Überwachung der Kommunikation auf dem Weg von Druckschriften
gesellte sich die Observierung verdächtiger Personen. Die Überwachungsakti-
onen durch Polizeiagenten und -konfidenten reichen zumindest bis zum Beginn
des Vormärz zurück. Neben Frankreich wurde vor allem England als Zentrum
der Bestrebungen, den Kontinent zu revolutionieren, verdächtigt. Ein Konfident
aus Rom berichtete beispielweise 1819, dass er von einer hochgestellten Dame
erfahren habe, dass „In Inghilterra e la focina della rivoluzione dell’Europa, ed
ivi risiede il capo ed il direttore dei Settarij“; leider habe sich kein Name ermit-
teln lassen, nur, dass es sich um „un uomo grande“ handle.93 Die italienischen
Geheimbünde, deren bekanntester die Carbonari waren, zogen die Aufmerk-
samkeit auf sich, in den 1820er Jahren rückten die Aktivitäten der Unterstützer
des griechischen Befreiungskampfes in den Mittelpunkt.94 So wurde etwa Mada-
me de Staël während ihrer Reisen, die sie unter anderem nach Wien führten,
ebenso überwacht wie Lord Byron während seines Aufenthalts in den italieni-
schen Staaten. Es erübrigt sich beinahe festzuhalten, dass beide mit einer ganzen
Reihe von Werken auf den Verbotslisten zu finden sind, unter dem Namen Mada-
me de Staëls finden sich 19 Einträge, unter jenem Byrons 44 Verbote.
Madame de Staël kam zweimal nach Wien, zum ersten Mal 1808, dann 1812;
1815 folgte ein Besuch der Lombardei. Stets wurde sie von Agenten und Spitzeln
observiert, man bestach Dienstboten oder schleuste sie bei ihr ein, durchstöber-
te ihren Papierkorb, entwendete und öffnete ihre Korrespondenz; wenn sie Gäs-
te empfing, horchten Spione an der Tür. Eine Unmenge von Berichten wurde
93 Zitiert in Karl Brunner: Byron und die österreichische Polizei. In: Archiv für das Studium der
neueren Sprachen und Literaturen 80 (1925), Bd. 148, S. 28–41, hier S. 31.
94 Vgl. Alfred Noe (Hg.): Der Philhellenismus in der westeuropäischen Literatur 1780–1830.
Amsterdam, Atlanta/GA: Rodopi 1994. 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 125
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510