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zeitung, im Frankfurter Konversationsblatt, in den Berliner Pfennig-Blättern und
in J. J. Webers Novellen-Zeitung) abgedruckt.122 Die Frankfurter Oberpostamts-
zeitung wollte nicht auf den bedeutenden österreichischen Markt verzichten und
brachte den Roman nach dem Verbot in Österreich in eigenen Heften heraus,
die nur an die kleine Gruppe der Besitzer von Scheden ausgeliefert wurden.
Obwohl der Kreis der potentiellen Schedenempfänger laut der Zensurvorschrift
von 1810 nur Gelehrte und ‚Geschäftsmänner‘, das heißt politische Amtsträger,
insbesondere Diplomaten, umfasste, erhielt eine Reihe hochgestellter und ver-
trauenswürdiger Personen, auch ohne dieser Personengruppe anzugehören, die
Genehmigung zum Bezug des Werkes, wie erhaltene Anträge aus Prag zeigen.
Folgenden illustren Personen wurde dort der Bezug des Juif errant bewilligt:
Graf von Auersperg, k.
k. Kämmerer; Anton Veith, Herrschaftsbesitzer; Freiherr
von Wessenberg; Lothar Graf von Wurmbrand, k.
k. Kämmerer; Franz Graf von
Desfour; Freifrau von Hruby, geb. Freiin von Wintzigerode; Joseph Matthias
Graf Thun-Hohenstein; Anna Maria Gräfin von Raitzenstein, geb. Altgräfin zu
Salm-Reifferscheid; Johann Altgraf zu Salm, k.
k. Oberstleutnant; Gräfin zu Salm,
geb. Gräfin von Pachta; Gabriele Gräfin von Bouquoy; Joseph Freiherr von Enid;
Baron de Fin, k. k. Kämmerer; Anna Freiin von Geisslern; Freiin Mladota von
Solofisk; Erwin Graf Nostitz, k.
k. Kämmerer; Rudolph Graf Morzin, k.
k. Käm-
merer; Karl Graf Althan, k. k. Kämmerer; Ritter von Bergenthal, k. k. Guberni-
alsekretär; Marianne Gräfin von Gaisruck, Dechantin des k. k. hradschiner
Damenstifts; Johanna Gräfin von Thun; Elisabeth Gräfin von Woratzicky Bis-
singen; Oktavian Graf Kinsky; und Karl Fürst zu Lichtenstein.
Die versammelte österreichische Hocharistokratie stellte sich somit um den
neuen skandalumwitterten Besteller von Sue an. Dass gerade Sues Romane wegen
ihrer politischen Thesen auch von einzelnen hochgestellten Personen, zum Bei-
spiel von Metternich höchstpersönlich, mit Interesse verfolgt wurden, ist bekannt.
Aber der Umstand, dass französische Populärromane in derartig beachtlichem
Ausmaß in die österreichische Hocharistokratie vordrangen und dort offensicht-
lich Tagesthema waren, sodass sich sogar die Dechantin eines Damenstifts (für
die dortige Bibliothek?) von den fiktiven Jesuitenränken angezogen fühlte, ist
doch überraschend. Es mag sein, dass manche der Aristokraten die Romane auf
Bitten ihrer Dienstboten bestellten, als mehrheitliches Hauptmotiv für ihren
Ankauf ist die Weitergabe aber unwahrscheinlich, abgesehen davon, dass sie
einen Gesetzesbruch bedeutet hätte. Graf Auersperg bestellte zusätzlich noch
eine Ausgabe in der Originalsprache, um den Roman dans le texte lesen zu kön-
nen, was eine Weitergabe an Domestiken eher ausschließt.
122 Näheres zur Verbreitung und Rezeption des Romans findet sich bei Norbert Bachleitner: Der
englische und französische Sozialroman des 19.
Jahrhunderts und seine Rezeption in Deutsch-
land. Amsterdam, Atlanta/GA: Rodopi 1993, S. 89–192.
3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 133
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510