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Befreiung der italienischen Staaten von der österreichischen Verwaltung kämpf-
ten. Wegen des Verdachts, Mitglied der Carbonari zu sein, wurde Pellico 1824
zum Tod verurteilt und zunächst in den Bleikammern von Venedig interniert.
Vom Kaiser begnadigt, wurde er auf den Spielberg in Brünn überstellt; eigent-
lich zu 15-jähriger Haft verurteilt, wurde er 1830 frühzeitig entlassen.
Eine kuriose Episode ist die Verhaftung von Josef Rank, einem aus Böhmen
stammenden Verfasser von Erzählungen und Romanen, die kritisch mit der
österreichischen Verwaltung umgingen. Der Jungautor ließ seine Schriften (zuerst
eine Sammlung mit dem Titel Aus dem Böhmerwalde, 1843) vorsorglich in Leip-
zig im Verlag Einhorn erscheinen. Da die Umgehung der Zensur durch Druck
im Ausland verboten war, erhielt Rank einen strengen Verweis. Noch im selben
Jahr brachte er aber wieder einen Roman mit dem Titel Vier Brüder aus dem
Volke bei Einhorn heraus. Anstößig war in diesem Roman die Unzufriedenheit
eines von vier Brüdern mit den Zuständen in Österreich, namentlich damit, „daß
der Volksunterricht in Händen der Landgeistlichkeit lag und diese sich der hohen
Aufgabe nicht gewachsen zeigte, daß die Bürokratie viel zu eigenmächtig ver-
fuhr und daß die lange Militärpflicht das Volk allzu stark bedrücke“.156 Da der
Roman in Wien mit dem Decisum ,damnatur‘ belegt worden war, wurde nun
nach Rank gefahndet und Polizeipräsident Sedlnitzky nahm sich des Falles per-
sönlich an. Auf Anraten von Freunden tauchte Rank daraufhin in Pressburg und
Wien unter, beging aber den Fehler, sich im Juli 1844 ohne Pass wieder auf die
Reise nach Leipzig zu begeben, um, wie viele andere Autoren vor ihm, die dor-
tigen Publikationsfreiheiten zu genießen. In Teplitz wurde Rank verhaftet und
nach Prag gebracht, wo er für zwölf Tage in Untersuchungshaft genommen wur-
de. Die Prager Behörden zeigten keine Ambitionen, Rank zu verurteilen. Sie
befanden, dass das Polizeivergehen verjährt war und setzten den Häftling nach
zwölf Tagen auf freien Fuß. Obwohl Sedlnitzky gegen die Einstellung des Ver-
fahrens und die Freilassung protestierte, blieb Rank unbehelligt, erhielt im April
1845 sogar einen Pass für die deutschen Bundesstaaten und setzte seine Provo-
kationen fort: Unter dem Titel „Zwölf Tage im Gefängnis“ verfasste er einen
polemischen Bericht über diese Episode für die Leipziger Zeitschrift Die Grenz-
boten157 und brachte 1845 einen neuen anstößigen Roman mit dem Titel Der
Waldmeister bei Georg Wigand in Leipzig heraus. Tatsächlich umfasste die Lis-
te der „schweren Polizeyübertretungen“ nur Verstöße der Buchdrucker und
Buchhändler gegen die Zensurordnung, nicht aber solche der Autoren. Wenn
Schriften die öffentliche Ruhe und Ordnung in Gefahr brachten, ging das Ver-
156 Anton Ernstberger: Josef Rank in Zensurhaft. Prag 1844. In: Stifter-Jahrbuch
7 (1962), S.
113–
130, hier S. 120.
157 Zwölf Tage im Gefängniß. (Aus einem Privatschreiben Josef Rank’s). In: Die Grenzboten 4
(1845), 1. Semester, Bd. 1, S. 158–181.
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144 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510