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den Schrift. Campe antwortete, dass der Verfasser, ein hoher österreichischer
Beamter, anonym bleiben wolle, dass er, Campe, ihn aber wegen zahlreicher
Anfragen gebeten habe, das Inkognito vertrauenswürdigen Kunden gegenüber
lüften zu dürfen. Als der Polizeibeamte nach zwei Wochen wieder nachfragte,
enthüllte ihm Campe, der in der Zwischenzeit selbst seine Informanten ausge-
schickt hatte, das Geheimnis: Der Verfasser des skandalösen Buches sei der Poli-
zeikommissar Muth aus Prag.213 Nach Scheitern dieser Mission zur Enttarnung
des Verfassers wurde angeblich auch Deinhardstein nach Hamburg entsandt,
um Campe zur Preisgabe des Namens zu bewegen. Auch dieser scheiterte aber
mit seinem Versuch, den Verleger „auf jede mögliche Weise, selbst durch
Berauschung mit Champagner, auszuholen“.214
Weniger bekannt als die Maßnahmen gegen die genannten deutschen Verla-
ge ist, dass bereits zuvor das seit 1841 in Zürich und Winterthur beheimatete
„Literarische Comptoir“ Julius Fröbels
(67.) vom Deutschen Bundestag im Juni
1845 mit einem generellen Debitverbot belegt wurde. Der schweizerische Verlag
hatte seine Offizin für radikal-liberale deutsche Exilanten geöffnet, die Namens-
liste seiner Autoren las sich mit Georg Herwegh, Hoffmann von Fallersleben,
Robert Prutz, Rudolf von Gottschall, den Junghegelianern Bruno und Edgar
Bauer, Ludwig und Friedrich Feuerbach und Arnold Ruge sowie den frühsozi-
alistischen Theoretikern Louis Blanc, Karl Grün und Wilhelm Schulz und eini-
gen anderen wie ein „,Who’s who‘ der literarischen Opposition im deutschen
Vormärz“.215 Das gleiche Schicksal traf auch den Verlag Jenni in Bern (91.), der
allerdings erst im Jänner 1848, also nur wenige Wochen vor der Revolution, von
der Maßnahme betroffen war. Jenni war durch politische Zeitschriften (insbe-
sondere den Gukkasten) sowie Werke von Sebastian Seiler, Joseph Proudhon,
Étienne Cabet, Giuseppe Mazzini, Wilhelm Weitling, Edgar Bauer und Karl
Heinzen unliebsam aufgefallen.216 Wegen ihrer Grenznähe waren die Schweizer
Verlage und ihre mutmaßliche Schmuggeltätigkeit mithilfe von Kolporteuren
auch häufig Gegenstand von Berichten der Konfidenten im Mainzer Informati-
onsbüro.217
213 Vgl. Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 222–223. Laut einem Eintrag in
Andrians Tagebüchern soll Muth Campe 20.000
Gulden für die Preisgabe des Verfassers gebo-
ten haben (Andrian-Werburg: „Österreich soll meine Stimme erkennen lernen“, Bd. 1, S. 422,
8.9.1843).
214 Ebd., Bd. 1, S. 468 (21.12.1843).
215 Thomas Christian Müller: Der Schmuggel politischer Schriften. Bedingungen exilliterarischer
Öffentlichkeit in der Schweiz und im Deutschen Bund (1830–1848). Tübingen: Niemeyer 2001,
S. 69; zum Verbot S. 73 und 282. Eine umfängliche Liste der von den Mainzer Konfidenten
intensiv überwachten Personen findet sich bei Hoefer: Pressepolitik, S. 135.
216 Vgl. ebd., S. 75–80.
217 Ebd., S. 279–286. 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 185
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510