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(häufig fingierter) Verlagsort im 18. Jahrhundert nun nur noch nach den deut-
schen Buchzentren ein. Dies ist keine Überraschung, dass Paris annähernd
gleichauf mit Leipzig liegt, hingegen unerwartet. Die Ursache ist natürlich einer-
seits die erhebliche Rolle der französischen Literatur, die mit 4429 Einträgen
noch immer 13,9
% der Verbote ausmacht, auf der anderen Seite die traditionel-
le Konzentration des französischen Verlags in Paris: Die beiden anderen Druckor-
te mit französischsprachigen Anteilen neben Paris, nämlich Brüssel und Straß-
burg, finden sich erst weit abgeschlagen auf der Liste. Brüssel ist vor allem durch
seine vergleichsweise billigen Nachdrucke französischer Literatur, die seit den
1820er Jahren in erster Linie Romane betrafen, eine wichtige Zwischenstation
des Transfers französischer Literatur auf den übrigen Kontinent. Führend ist
hier die Firma Méline, Cans & Co. Aber auch die Firma der frères Bossange in
Paris unterhielt eine Filiale in Leipzig, die laut einem Bericht Lothar von Berks’,
des österreichischen Konsuls in Leipzig, an Metternich aus dem Jahr 1828 „als
eine Verbreitungsanstalt der frechsten französischen Schmähschriften zu betrach-
ten“ war.223 Amsterdam und Genf spielen dagegen nur noch eine sehr geringe
Rolle bei der Vermittlung anrüchiger französischer Literatur.
Das aus der Sicht der Zensur überproportionale Gefahrenpotential der fran-
zösischen Literatur geht aus dem Vergleich der Verlagsorte auf den Verbotslisten
mit punktuell überlieferten Angaben über die in Wien aus dem Ausland einlan-
genden Pakete für die Buchhändler hervor. Interne Berichte über die Revisionen
der eingelangten Bücher aus den Monaten April, Mai und Juni 1840 ergeben,
dass aus Leipzig 52,5
% der gelieferten Bücher stammten, aus anderen deutschen
Städten 7,3 %, von verschiedenen Buchhändlern bzw. Verlagen aus dem Gebiet
der Monarchie 28,5 %, aus Paris 10,8 % und aus London 0,9 %.224 Die Verbots-
listen des Jahres weisen dagegen nur 17,7
% in Leipzig erschienene, gleichzeitig
aber 7,8 % aus Paris gelieferte Schriften aus.
Florenz und Turin sind die Städte, aus denen die Mehrzahl der verbotenen
italienischen Titel stammte. Ein weiterer großer nichtdeutscher Verlagsort ist
sefreiheit und Informationskontrolle in Europa. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2013, S.
9–22,
hier S. 19–20.
223 Zitiert in Charles Sealsfield – Karl Postl: Austria as it is: or Sketches of continental courts, by
an eye-witness. London 1828. Österreich, wie es ist oder Skizzen von Fürstenhöfen des Konti-
nents. Wien 1919. Eine kommentierte Textedition, hg. u. mit einem Nachwort versehen von
Primus-Heinz Kucher. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1994, S. 319.
224 Diese Zahlen beziehen sich auf das Gewicht der eingegangenen Bücher. Benützt wurden: Aus-
weis über die in den Nachmittagsstunden vom 1t bis inclusive 30
April [1840] vorgenommenen
Amtshandlungen im K. K. Zentral-Bücher Revisionsamte (Allgemeines Verwaltungsarchiv,
Polizeihofstelle, 442/1840), und: Ausweis über die in den Nachmittagsstunden von 1t bis 19
Mai und vom 1 bis 11 Juni des J. [1840] vorgenommenen Revisionen der Buch- Kunst und
Musikalienhändler Ballen und Post[pakete] (Allgemeines Verwaltungsarchiv, Polizeihofstel-
le, 441/1840).
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190 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510