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Privatbesitz befanden, verstärkte die Befürchtungen der Regierung, da diese
Theater sich über den Erfolg beim Publikum erhalten mussten und zur Über-
schreitung der Grenzen des Erlaubten neigten. Es bildete sich ein deutlicher
Gegensatz zwischen den Hoftheatern (in Wien dem Burgtheater und dem The-
ater am Kärntnertor), die die Zensur als hilfreich oder sogar notwendig erach-
teten, und den Privattheatern (in Wien dem Theater an der Wien, dem Theater
in der Leopoldstadt und dem Theater in der Josefstadt) heraus, die die Zensoren
als existenzbedrohende Feinde ansahen.
Im Jahr 1795 verbot Kaiser Franz von Neuem das Extemporieren, das sich
unter der Hand auf den Vorstadtbühnen wieder breitgemacht hatte. Von nun an
konnten Schauspieler, die extemporierten, sogar inhaftiert werden, ein berühm-
tes Beispiel für eine solche Sanktion ist Johann Nestroy, der wegen dieses Ver-
gehens für einige Tage hinter Gitter wanderte. Gleichzeitig forderte der Kaiser
die Zensoren auf, darauf zu achten, dass kein für die staatliche Ordnung gefähr-
liches Stück auf die Bühne gelange. Im Anschluss an dieses kaiserliche Dekret
schlug das Prager Bühnenrevisionsamt vor, Theaterdirektoren, die das Extem-
porieren zuließen, mit Geldstrafen zu belegen und die dabei eingenommenen
Summen Armenhäusern zukommen zu lassen. Darüber hinaus ordnete das Pra-
ger Bühnenrevisionsamt an, dass Stücke wie Schillers Don Karlos, Kabale und
Liebe, Die Räuber und Maria Stuart oder Lessings Emilia Galotti sowie die meis-
ten Stücke von August Kotzebue gar nicht oder nur in gründlich überarbeiteter
Form aufgeführt werden durften.8
Da sich die Zensur nun auf politische Fragen konzentrierte, war es folge-
richtig, dass sie der Polizei übertragen wurde. Nach der Bücherzensur wurde
1803 auch die Theaterzensur von der Polizeihofstelle übernommen. Sie ent-
schied über die Zulassung oder Ablehnung von Stücken; die Zensoren, die
ihre Meinung über einzelne dramatische Texte äußerten, unterbreiteten ledig-
lich Vorschläge zu ihrer Beurteilung. Für die Zensur der Hoftheater war das
Oberstkämmereramt zuständig. Aber im Allgemeinen überließ diese Stelle
die Entscheidung über neue Stücke ebenfalls der Polizei. In heiklen politischen
Fragen wurde wie in der Bücherzensur überdies die Staatskanzlei eingeschal-
tet.
Alle Stücke mussten vor der Aufführung genehmigt werden. Die Theater
reichten zwei Exemplare des Spieltextes bei der Behörde ein, der Zensor entschied
über seine Zulässigkeit und markierte gegebenenfalls Stellen, die wegfallen oder
verändert werden mussten. Im Fall der Genehmigung wurde das Manuskript an
das Theater zurückgeschickt. Polizeibeamten, die als Theaterkommissäre bezeich-
net wurden, besuchten die Proben und die Premiere und achteten darauf, dass
die Schauspieler nicht vom genehmigten Text abwichen. Sie konnten auch Ände-
8 Vgl. Teuber: Geschichte des Prager Theaters, 2. Theil, S. 316–317.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
242 5. Die Theaterzensur
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510