Seite - 338 - in Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
Bild der Seite - 338 -
Text der Seite - 338 -
weisen: Stellen, die in einer Ausgabe fehlen, fanden Gnade vor den Augen der
Zensoren bzw. Bearbeiter der anderen Ausgaben; nur gelegentlich herrschte
Konsens über zu tilgende Passagen. Die beiden bei Mausberger in Wien262 und
bei Kienreich in Graz263 erschienenen Versionen von Woodstock wurden von der
Zensur vergleichsweise großzügig behandelt. Für unsere Untersuchung am bes-
ten eignet sich die Ausgabe bei Strauß, da sie nach einer auf der Verbotsliste
aufscheinenden Vorlage angefertigt und den stärksten Kürzungen unterzogen
wurde.264 Sieht man von den fehlenden Kapitel-Motti, auf die auch einige ande-
re Übersetzer verzichteten, und gelegentlichen orthographischen und stilisti-
schen Korrekturen ab, so weist die Ausgabe bei Strauß etwa 120 Eingriffe auf,
die von einzelnen gestrichenen Wörtern bis zu ausgelassenen Passagen von meh-
reren Seiten Umfang reichen. Versucht man, die Eingriffe nach ihrem Motiv zu
ordnen, so ist festzustellen, dass sie sich – wenn diese beiden Bereiche auch
schwer zu trennen sein mögen – annähernd gleichmäßig auf theologisch und
politisch bedenkliche Passagen verteilen; einige wenige Eingriffe betreffen Fra-
gen der (sexuellen) Moral, die aber mit dem gleichen Recht den politisch ver-
werflichen Stellen zugeordnet werden können, da man es in diesem Roman nicht
mit beliebigen, sondern mit den Ausschweifungen der königstreuen Kavaliere
und in einem Fall eines Gefolgsmanns Cromwells zu tun hat.
Gleich das erste Kapitel, das eine Kontroverse zwischen calvinistischen Pres-
byterianern und den independenten Anhängern Cromwells in der Kirche von
Woodstock vorführt, gibt Anlass zu wiederholtem Einschreiten und damit einen
guten Überblick über den Charakter der Zensurstriche. Um auch einen Eindruck
von der Frequenz der Eingriffe zu geben, werden im Folgenden alle erhebliche-
ren Striche in diesem Kapitel vorgeführt. Zunächst fiel ein Scherz, wie ihn sich
Scott erlaubt, wenn er die Veränderungen in der Zusammensetzung der Kir-
chenbesucher beschreibt – wobei er insbesondere darauf hinweist, daß in Zeiten
des Bürgerkriegs die alten königstreuen Adelsfamilien der Kirche fernblieben –,
unter das Verdikt der Zensur:
262 Woodstock, oder: Der Ritter. Eine Erzählung aus dem Jahre eintausend, sechshundert und ein
und fünfzig. Von Walter Scott. Aus dem Englischen übersetzt von Georg Nicolaus Bärmann,
der Weltweisheit Doctor und der freyen Künste Magister. 3
Bde. (Walter Scott’s Werke
58–60)
Wien: Mausberger 1828. Bärmanns Übersetzung war zuvor bei Schumann in Zwickau erschie-
nen.
263 Woodstock, oder der Cavalier. Aus dem Englischen des Sir Walter Scott. 2
Theile. (Walter Scott’s
Werke. Neu übersetzte, verbesserte Ausgabe 43 + 44) Grätz: Kienreich 1829.
264 Woodstock, romantische Darstellung aus den Zeiten Cromwell’s von Walter Scott. Übersetzt
von C. F. Michaelis. 3 Theile. (Walter Scott’s auserlesene Werke 58–60) Wien: Anton Strauß
1827. Als Vorlage für diese Übersetzung diente die in Leipzig bei Herbig ein Jahr zuvor unter
demselben Titel erschienene Ausgabe.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
338 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Titel
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Autor
- Norbert Bachleitner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Abmessungen
- 15.8 x 24.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510