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hin zu reflektiertem Denken definiert wird. Was die über die Fragebögen erho-
bene Philosophie des Faches betrifft, wird auch hier deutlich, dass den Überzeu-
gungen der Lehrpersonen ein faktuales Verständnis von Geschichtsunterricht
zugrunde liegt, während kompetenzorientierte Zugänge noch weniger stark prä-
feriert werden. Geschichtsdidaktische Vorstellungen über die Hauptaufgabe von
Geschichtsunterricht
– in die Natur geschichtswissenschaftlicher Epistemologie
einzuführen und damit das historische Denken zu lehren
– werden weniger stark
geteilt:
„Die Beliefs der Studierenden hinsichtlich des Lehrziels von Geschichtsunterricht
stimmen nicht mit den Konventionen aktueller geschichtsdidaktischer Diskurse
überein. Der Kurs [von dem die Probanden genommen wurden] ist insgesamt der
Meinung, dass das wichtigste Ziel von Geschichtsunterricht in der Vermittlung
von Grundwissen besteht (87 %), mit sehr großem Abstand gefolgt von der Ver-
mittlung von Kompetenzen historischen Denkens (56,3 %), der Erziehung mün-
diger Bürger (25 %) und der Methodenkompetenz156 (6,3 %).“157
Thünemann beschreibt im Jahr 2012 eine Fallstudie und rekonstruierte in dieser
die Überzeugungen/subjektive Theorie eines Geschichtslehrers zu gutem Ge-
schichtsunterricht.158 Dabei wird das Konstrukt weit gefasst und inkludiert
komplexe Aussagen und Überzeugungssysteme, fachunspezifische sowie fach-
spezifische Wissenselemente und erfahrungsgebundenes semantisches Wissen.
Durch ein Interview mit der Lehrperson, deren Unterricht zuvor beobachtet
wurde, erhob Thünemann die Überzeugungen dieser Lehrperson zum Lehren
von Geschichte. Als zentrales Merkmal guten Geschichtsunterrichts, „Kern der
subjektiven Lehrertheorie“, zeigte sich dabei das Merkmal „historisches Den-
ken“159: Aspekte der Quellenkritik, des Textverstehens und der Kontroversität,
Einsicht in den Konstruktcharakter von Geschichte und nicht primär Stoffori-
entierung. Dies würde zumindest hinsichtlich der Überzeugungen für eine ten-
denziell die historische Kompetenzorientierung präferierende Lehrperson spre-
chen. Thünemann geht jedenfalls ausgehend von dieser Studie davon aus, dass
subjektive Lehrertheorien guten Geschichtsunterrichts von einem harten fach-
spezifischen Kern geprägt sind, der jedoch allgemeinpädagogisch überlagert
156 Hier wird Methodenkompetenz allgemeinpädagogisch und nicht fachspezifisch verstan-
den.
157 Ebd., S.
127.
158 Vgl. Thünemann 2012.
159 Ebd., S.
51.
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Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- Lehrbücher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Überzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 Literaturübersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der Literaturübersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenÜberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der Literaturübersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. Abkürzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen für Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277