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„The most significant factor, though, is the way in which the researcher presents him
or herself and his or her research interest, both in the interview itself and in pre-
paratory contacts with the expert.“343
Zwischen dem ersten E-Mail-Kontakt und dem Feldaufenthalt waren meist
Wochen vergangen und es war nicht davon auszugehen, dass den Lehrpersonen
alle Details hinsichtlich der Studie noch bekannt waren. Sehr oft fragten Leh-
rer/innen, als ich mit ihnen auf dem Weg in die Klasse war: „Was ist eigentlich
noch einmal genau das Ziel Ihrer Forschung?“ Die Positionierung der Teilneh-
mer/innen der Studie als Expertinnen/Experten war aus retrospektiver Sicht
dem Gelingen der qualitativen Erhebung förderlich. Die Annahme, dass viele
Lehrende gerade aufgrund dieser Positionierung ihre Teilnahme an der Studie
zugesagt haben, lässt sich zwar empirisch nicht belegen. Dass jedoch die Wie-
derholung der Positionierung direkt vor dem Interview in zahlreichen Fällen ei-
ne gewisse Anspannung vonseiten der Lehrer/innen gelöst hat, konnte in vielen
Fällen erlebt werden und wurde in Post-Interview-Memos auch mehrere Male
festgehalten. Des Öfteren hörte ich in diesem Zusammenhang Kommentare
wie: „Diese Zugangsweise finde ich wirklich toll!“ oder „Endlich fragt mal je-
mand die Lehrer!“ Solche Aussagen spiegeln vermutlich gesellschaftliche Rah-
menbedingungen wider, die im Jahr 2016 in Ă–sterreich gegeben waren und die
das Bewusstsein von Lehrpersonen prägten: In den medialen und politischen
Diskussionen in Ă–sterreich wird die Arbeit von Lehrenden oft aus einer kriti-
schen Distanz beurteilt und viele fĂĽhlen sich in diesem Zusammenhang wenig
wertgeschätzt. Ein österreichischer Lokalpolitiker hat sich im Jahr 2015 in den
Medien öffentlichkeitswirksam über die Arbeitszeiten von Lehrpersonen lustig
gemacht, wobei sich in der Aussage die verzerrte Vorstellung spiegelt, Vollzeit
angestellte Lehrpersonen wĂĽrden nur 22Â
Stunden in der Woche arbeiten: „Wenn
ich 22Â
Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig. Dann kann
ich heimgehen“, meinte dieser Politiker launig, aber abschätzend. Das Prestige
des Lehrberufs in der Öffentlichkeit – ein äußerst wichtiger Faktor für qualita-
tiv hochwertige BildungssystemeÂ
– ist also durchaus nach oben hin ausbaufähig,
was bisweilen so weit geht, dass manche Lehrer/innen in der Ă–ffentlichkeit so-
gar ihren Beruf möglichst verheimlichen.
343 Bogner, Alexander/Menz, Wolfgang (2009): The Theory-Generating Expert Interview:
Epistemological Interest, Forms of Knowledge, Interaction. In: Bogner, Alexander/ Littig,
Beate/Menz, Wolfgang (Hg.) (2009): Interviewing experts. Methodology and Practice.
Basingstoke, UK: Palgrave Macmillan, S.Â
43 – 80, hier S. 70.
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- LehrbĂĽcher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăśberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂśberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂĽbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂĽrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂĽr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277