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klärt bekommen hat, ist völlig verständlich, dass dieses inzwischen von anderen
Diskursen ĂĽberlagert wurde, ist doch die (fachunspezifische) kompetenzorien-
tierte Jahresplanung von der Direktion dieser Schule vorgegeben und stark prä-
sent, indem beständig darauf hingewiesen wird. Es zeigt sich hier die Spannung
zwischen verschiedenen Kompetenzkonzeptionen und es wird verständlich, dass
diese Lehrperson im Rahmen eines Interviews nicht plötzlich außerhalb der of-
fiziellen und in der Schule gepflegten Denkschemata fachspezifisch argumen-
tiert. Ähnlich verhält es sich bei Lehrperson N1. Auch sie verbindet Kompetenz-
orientierung in Geschichte weniger oder gar nicht mit historischem Denken als
vielmehr mit langen Konferenznachmittagen, in denen auf Wunsch der Direk-
tion alle Lehrpersonen zusammen kompetenzorientierte Jahrespläne nach dem
Europass-Konzept erstellen mĂĽssen. Daher ist Kompetenzorientierung fĂĽr sieÂ
–
wie sie es nennt – eine Quälerei. Mit der Ablehnung von historischem Denken
hat diese Abneigung gegenĂĽber Kompetenzorientierung allerdings nichts zu
tun:
I-N1_f: I: Jetzt ist es so, dass das Wort Kompetenzorientierung irgendwo in
der Lehrerschaft sehr negativ behaftet ist.
B: Ja, weil sie uns quälen damit. Sie quälen uns mit dem, du sollst es nach den
Kompetenzorientierungen aufarbeiten. Also, wie gesagt, als ich 2012 eingestiegen
bin im Herbst, da kann ich mich noch erinnern, du musst diese Kompetenzen ein-
teilen. Und dann sind wir am Internet gesessen, was ist das mit den Kompeten-
zen? Was will sie [die Direktorin] haben? Ja. Es ist jedes Jahr das Gleiche.
[…] Und die Ablehnung, flapsig gesagt, ist das, weil sie uns quälen, mit dem
das immer wieder neu zu Papier zu bringen.
In diesem Kapitel sollte verständlich gemacht werden, warum Lehrpersonen,
wenn sie hinsichtlich Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht inter-
viewt werden, vorwiegend innerhalb nicht fachspezifischer Kompetenzmodelle
argumentieren. Während Lehrpersonen nur innerhalb der Geschichtsdidaktik in
verschwindend geringen Dosierungen mit einem oder mehreren fachspezifi-
schen Modellen konfrontiert werden, ist ein fachunspezifischer Diskurs zu Kom-
petenzen in vielen Bereichen gegenwärtig. Erschwerend kommt hinzu, dass sich
Lehrende in geschichtsdidaktischen Kursen an Hochschulen (auch in anderen
fachdidaktischen Disziplinen) ĂĽber (historische) Kompetenzorientierung lustig
machen und dagegen polemisieren. Eine Lehrperson, die an einer postsekundär-
en Bildungseinrichtung Geschichtsdidaktik unterrichtete, sagte diesbezĂĽglich in
einem Interview:
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Buch Von PISA nach Wien - Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis"
Von PISA nach Wien
Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
Empirische Befunde aus qualitativen Interviews mit Lehrkräften
- Titel
- Von PISA nach Wien
- Untertitel
- Historische und politische Kompetenzen in der Unterrichtspraxis
- Autor
- Roland Bernhard
- Verlag
- WOCHENSCHAU Verlag
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7344-1234-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 284
- Kategorie
- LehrbĂĽcher
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 5
- 1. Einleitung 9
- 2. Theoretischer Rahmen und Forschungsfragen 15
- 2.1 Historisches Denken im Geschichtsunterricht – normative Aspekteund die Lehrplanreform hin zu Kompetenzorientierung 2008 15
- 2.2 Berufsbezogene Ăśberzeugungen 26
- 2.3 Forschungsfragen 36
- 2.4 LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.1 Kategorien der LiteraturĂĽbersicht 38
- 2.4.2 Forschung zu epistemologischen und kontextbezogenenĂśberzeugungen von Geschichtslehrpersonen 40
- 2.4.3 Diskussion der LiteraturĂĽbersicht 71
- 3. Forschungsdesign und Methode 77
- 4. Ergebnisse 113
- 6. Fazit 215
- 7. Literaturverzeichnis 233
- 8. Abbildungsverzeichnis 253
- 9. Tabellenverzeichnis 254
- 10. AbkĂĽrzungsverzeichnis 255
- 11. Personenverzeichnis 256
- Anhang 1: Fragebogen fĂĽr Geschichtslehr personen,der anhand der qualitativen Studie konstruiert wurde 260
- Anhang 2: Anhang Anschreiben an Schulen und Lehrpersonen 277