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22 | Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts
im entsprechenden Ausmaß auf sich zu lenken.24 Nach Franz Alto Bauer kopierte er
nur, „was ihm gerade auffiel“.25 Bauer widmete sich schließlich auch der Frage, ob
der Verfasser des Codex Einsidlensis 326 die von ihm überlieferten Denkmäler mit
eigenen Augen gesehen hat, und kam auf Basis eingehender Beobachtungen zu dem
Schluss, dass der Schreiber nicht ident ist mit dem Sammler der Inschriften, der Weg-
beschreibungen und der Stadtmauerbeschreibung, sondern diese in seiner Hand-
schrift verarbeitet hat, um den Bewohnern jenseits der Alpen eine Vorstellung von
der Stadt Rom zu geben.
Andere Sammelwerke aus der karolingischen Epoche haben – für unseren Zu-
sammenhang – die Bedeutung des Codex Einsidlensis nicht erreicht, da sie sich durch-
wegs auf christliche Inschriften beschränken.26 Eine weitere Handschrift aus dem
8. Jahrhundert, die Inschriften aus Rom, Rimini und Trier enthielt, scheint nur von
Joseph Justus Scaliger (1540–1609) gesehen bzw. benutzt worden zu sein; sie gilt
heute als verloren und kaum noch rekonstruierbar.27 Auch die Sammlung des
Anonymus Einsidlensis blieb über Jahrhunderte unbeachtet und wurde erst von
Poggio Bracciolini im 15. Jahrhundert wiederentdeckt.28
Schon dadurch zeigt sich, dass die vielfachen Anregungen der Karolingischen Re-
naissance nicht immer auf fruchtbaren Boden fielen. Zwar wurden in vielen klöster-
lichen Skriptorien Texte klassischer Schriftsteller kopiert, weil es die Ordensregel so
verlangte, doch handelte es sich dabei meist um eine rein mechanische Abschreib-
übung, nicht um eine geistige Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Erbe der
Antike.29 Denn auch wenn das Mittelalter das Interesse an Inschriften und archäo-
logischen Überresten grundsätzlich nicht verlor, entwickelte es noch kein Gesamt-
interesse für die Geschichte und Kultur des klassischen Altertums, da diese Epoche
durch ihr mannigfaches Fortwirken den Menschen trotz des großen Unterschiedes in
der Religion nicht das Gefühl einer Verschiedenheit gab.30 Ausschlaggebend war
dabei sicherlich die fortdauernde Verwendung der lateinischen Sprache im offiziel-
len und kirchlichen Leben. Für das Lesen des schriftlichen Erbes der Antike (litera-
rische und epigraphische Texte sowie Münzumschriften) bestanden demnach –
theoretisch – keine echten sprachlichen Barrieren. Die in antiken Inschriften üblicher-
weise verwendeten Formeln und Abkürzungen bereiteten allerdings vielfach größere
24 Erst Ciriaco d'Ancona (geb. ca. 1391, gest. vor 1457) erkannte, dass man aus den zahlreichen
Inschriften der „kleinen Leute“ ebenso wichtige Informationen beziehen konnte (vgl. Kap. 2).
25 Bauer, Anonymus Einsidlensis 223.
26 Hübner, Epigraphik 632, nennt hier v. a. die Mailänder Sylloge Palatina, den Liber Pontificalis des
Agnellus von Ravenna und eine vatikanische, früher Lorscher Sammlung (mit Hinweisen auf die
relevanten Stellen im CIL).
27 Giovanni Battista De Rossi, Incriptiones Christianae Urbis Romae I, Rom 1861, 11.
28 Siehe Kap. 2.
29 Vgl. Max Wegner, Altertumskunde, München 1951, 3–4.
30 Man denke nur an die bekannte Vorstellung der translatio imperii oder an die Verknüpfung der
Herkunft deutscher Völker mit Elementen der klassischen Mythologie. Vgl. dazu August Buck,
Humanismus und Historiographie. Rundgespräche und Kolloquien, Weinheim 1991, 2, Arnaldo
Momigliano, Ancient History and the Antiquarian, in: Ders., Studies in Historiography, London 1966,
5, sowie Wegner, Altertumskunde 3–4.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548