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Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts | 27
oder Bernhard von Kremsmünster der Autor der fraglichen Handschriften sei, bzw.
wer welchen Codex verfasst habe. Im Jahre 1872 gelangte Johann Loserth zu dem
wichtigen Urteil, dass sämtliche Manuskripte von einer Hand stammen und schrieb
die relevanten Codices abermals Sigmar zu.51 Dennoch nennt Mommsen im text-
kritischen Apparat der Lorcher Inschrift (CIL III 5671) fünf Jahre später einen
„Bernardus Noricus“ als ersten Gewährsmann.
Auf den Beweis, dass Sigmar als Verfasser nicht in Frage kommt – er war zur frag-
lichen Zeit bereits Abt von Lambach52 – folgte durch Leidinger53 die Erkenntnis, dass
Aventin die Kremsmünsterer Geschichtsquellen nur indirekt (mittels Abschriften aus
dem Regensburger Kloster St. Emmeram und des Geschichtsschreibers Veit Arn-
peck) benutzt hat. Ferner schöpfte er an jenen Stellen, wo er scheinbar die Ge-
schichtsquellen wörtlich zitiert, in Wahrheit aus dem sogenannten Norikerkapitel
der jüngeren Passio Sancti Quirini bzw. der Fundatio monasterii Tegernseensis54. Dabei
übernahm Aventin offenbar einen Irrtum aus seiner Quelle: Im heutigen CVP 423,
fol. 7r, hatte eine Hand aus dem späten 15. Jahrhundert fälschlicherweise neben den
Titel des Norikerkapitels („De origine Bavarorum“) – gleichsam als Autorenangabe –
„Bernardus monachus in Chrembsmonster sub Friderico a(bbate)“ hinzugefügt.55 Den her-
51 Johann Loserth, Die Geschichtsquellen von Kremsmünster im XIII. und XIV. Jahrhundert, Wien 1872. In
seiner Abhandlung Sigmar und Bernhard von Kremsmünster, Wien 1894, verteidigte er neuerlich
Sigmar als Verfasser der Handschriften.
52 Altmann Altinger, Bernhard oder Sigmar?, in: MIÖG 19 (1898) 233–243.
53 Leidinger, Bernardus Noricus 16–21.
54 Siehe weiter oben in diesem Kapitel.
55 Leidinger, Bernardus Noricus 26, liest „[...] sub Friderico x“, und stellt auf dieser Basis fest, es gehe
aus dem Text nicht hervor, ob Kaiser Friedrich I oder II gemeint sei (35, Anm. 1). Neumüller,
Bernardus Noricus 10, schreibt nur „sub Friderico“ und weist in Anm. 2 darauf hin, dass „sub Fride-
rico nicht heißen muß sub Friderico imperatore, sondern ebensogut sub Friderico abbate heißen
kann“. Franz Lackner (ÖAW), dem hier nochmals herzlich für seine Bemühungen gedankt sei, be-
stärkte mich in meiner Ansicht, dass der letzte Buchstabe in der Bemerkung eindeutig als „a“ zu
lesen ist. Demnach kann hier nur Abt Friedrich von Aich (reg. 1275–1325) gemeint sein.
Zur Frage der Herkunft und Geschichte des CVP 423 und damit verbunden zur Frage, ob Aventin
diesen oder einen anderen Codex benützt hat, gibt es zwei Theorien:
Leidinger, Bernardus Noricus 22–34, vertritt mit plausiblen Argumenten die Ansicht, dass es sich
bei der heute in Wien befindlichen Handschrift CVP 423 um einen vermeintlich verschollenen
Regensburger Codex handelt. Genau diesen habe Aventin (gest. 1534) ebenso noch in der
Dombibliothek der bayerischen Stadt benutzt wie wenige Jahre später Matthias Flacius Illyricus
(nach 1562).
Ebenso plausibel ist allerdings der Ansatz von Hermann Menhardt, wonach die betreffende
Handschrift von Wolfgang Lazius 1549 aus dem Stift Gurk nach Wien gebracht worden und aus
seinem Nachlass in die damalige Hofbibliothek gelangt ist: CVP 423, fol. 1, enthält einen Auszug
aus einer Gurker Chronik und weist eindeutig die Hand des Wiener Humanisten und Hand-
schriftensammlers auf. Es ist bekannt, dass Lazius auf einer seiner Bibliotheksreisen im Jahre 1549
auch in das Kärntner Stift gekommen ist und von dort gegen Revers Handschriften mitgenommen
hat. Abgesehen davon, dass keiner der betreffenden Codices jemals zurückgegeben wurde, be-
findet sich CVP 423 nicht (!) unter jenen im Empfangsschein genannten Handschriften – siehe
Hermann Menhardt, Die Kärntner Bibliotheksreise des Wolfgang Lazius 1549, in: Archiv für vater-
ländische Topographie 24/25 (1936) 103 und ders., Handschriftenverzeichnis der Kärntner Bibliotheken,
Bd. I: Klagenfurt, Maria Saal, Friesach, Wien 1927, 13. Zu Menhardts Ausführungen passen die Be-
obachtungen von Johann Weissensteiner, Tegernsee 233–235, wonach der CVP 423 durchaus in
Gurk/Kärnten entstanden sein könnte.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548