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28 | Inschriftenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts
kunftsbezeichnenden Beinamen Noricus scheint Aventin selbst seiner vermeintlichen
Quelle gegeben zu haben.56 Demnach ist es nur allzu verständlich, dass man in den
Aufzeichnungen des Stiftes Kremsmünster keinen „Bernardus Noricus“ finden
konnte.
Im Jahre 1947 rollte der Kremsmünsterer Bibliothekar P. Willibrord Neumüller die
Frage der Verfasserschaft in den Geschichtsquellen seines Klosters neu auf, indem er
den gesamten Kremsmünsterer Handschriftenbestand bis 1330 für diese Unter-
suchung heranzog. In seiner überaus profunden, vor allem paläographisch ange-
legten Studie beschäftigte er sich mit jener Hand, von der ein Großteil der Krems-
münsterer Geschichtsquellen stammt und die aufgrund ihrer schönen Schrift sowie
der Häufigkeit ihres Vorkommens aus der Kremsmünsterer Schreibschule um die
Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert hervorsticht. Neumüller gab dem Schreiber zu-
nächst das Pseudonym „Bernardus Noricus“, stellte in einem ersten Schritt die Eigen-
arten seiner Hand fest und untersuchte alle anderen Codices Cremifanenses auf deren
Vorkommen hin. Er konnte schließlich in 68 Kremsmünsterer Handschriften die
Hand unseres Schreibers feststellen, entweder als mehr oder minder maßgebende
Texthand oder in Form von (Rand-)Bemerkungen, (Inhalts-)Verzeichnissen, Besitz-
und Schenkungsvermerken für das Stift.57 Neumüller zog diese Eintragungen auf der
Suche nach dem wahren Namen des „Bernardus Noricus“ heran. Ein erst 1947 im
Kloster gefundenes Schreiberverzeichnis lieferte weitere Anhaltspunkte, die es dem
Nach meiner Ansicht können grundsätzlich beide Entstehungstheorien argumentiert werden, da
Lazius den Codex sowohl aus Gurk (1549) als auch aus Regensburg (1546/47) – zum ersten Mal –
nach Wien gebracht haben könnte, was seine Spuren der Codex-Benutzung (fol. 1r) um 1551 er-
klärt. Da Lazius später einige Bücher über Caspar Niedbruck an Matthias Flacius Illyricus entlehnt
hat, wie wir aus Briefen der Jahre 1552/1553 wissen, ist die Handschrift möglicherweise auf die-
sem Weg (neuerlich?) nach Regensburg gelangt. Vgl. Viktor Bibl, Der Briefwechsel zwischen Flacius
und Niedbruck, in: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich
17 (1896) 1–24; 18 (1897) 201–238; 19 (1898) 96–110; 20 (1899) 83–116.
Von Flacius Illyricus stammt im Übrigen die älteste gedruckte Ausgabe des Norikerkapitels: Cata-
logus testium veritatis, qui ante nostram aetatem Pontifici eiusque erroribus reclamaverunt (Argentinae/
h. Strasbourg 1562), 128–129.
56 Im 1980 erschienenen Lexikon des Mittelalters heißt es in einem Artikel von K[arl] Schnith inter-
essanterweise noch immer „Aventin nennt einen Bernardus Noricus als Verfasser“, obwohl das
1947 publizierte Buch von Leidinger im Literaturteil genannt wird (Lexikon des Mittelalters I, s. v.
Bernhard von Kremsmünster). Auch in einem erst vor wenigen Jahren erschienenen Aus-
stellungskatalog ist fälschlich von einer „Bernhard von Kremsmünster zugeschriebenen Dar-
stellung über die Herkunft der Baiern und über die Genealogie der österreichischen Herzöge bis
1177 (fol. 7r–8v)“ die Rede: Hemma von Gurk. Katalog der Ausstellung auf Schloss Straßburg/Kärnten.
14. Mai bis 26. Oktober 1988, Klagenfurt 1988, 399 (Nr. 6.9): Beschreibung des CVP 423 von E[va]
I[rblich] und Ch[ristine] T[ropper].
57 Vgl. Neumüller, Bernardus Noricus 55–87, sowie Hauke Fill, Katalog der Handschriften des
Benediktinerstiftes Kremsmünster. Teil 1: Von den Anfängen bis in die Zeit des Abtes Friedrich von
Aich; ca. 800–1325 (Denkschriften der ÖAW, phil.-hist. Kl., CLVI; Veröffentlichungen der
Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, 2. Reihe, III 1), Wien 1984, Register-
band 145–146.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548