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72 | Humanistisches Gedankengut im Ostalpenraum
maßgeblich an der Rezeption der neuen Geisteskultur beteiligt, indem sie die Im-
pulse italienischer Reisender aufgriffen oder sie sich selbst ins Mutterland der Re-
naissance begaben und von dort viele Anregungen mit nach Hause brachten.269
Bereits das Jahrzehnt nach der Mitte des 15. Jahrhunderts kann als „Vorblüte des
Humanismus“ in Wien bezeichnet werden270. In diesem Dezennium wurde die Wie-
ner Universität zu einer der meistbesuchten Universitäten Europas.271 Für die Alter-
tumsforschung ist diese frühhumanistische Phase jedoch noch nicht relevant. Auch
während der späteren Regierungszeit von Friedrich III. standen philologische Dis-
ziplinen wie lateinische Dichtung, Grammatik und Rhetorik im Zentrum des huma-
nistischen Interesses im Wiener Raum, weshalb die Nachrichten über den Umgang
mit römerzeitlichen Inschriften spärlich sind.272 Auch der Kaiser selbst interessierte
sich weniger aus historisch-antiquarischen, denn vielmehr aus genealogischen
Gesichtspunkten für eine von Oktavian im Jahre 32 v. Chr. gesetzte Bauinschrift, auf
die er in Triest aufmerksam geworden (oder gemacht worden) war.273 Es darf sogar
bezweifelt werden, dass Friedrich III. bzw. sein(e) Berater erkannte(n), wer in der
Inschrift mit „IMP CAESAR“ gemeint war, doch dürften ihn nach Ansicht von Ortolf
Harl und Alois Niederstätter gerade diese „Reizworte“ dazu bewogen haben, den
antiken Text im Jahre 1470 zum Vorbild für eine eigene, unmittelbar darunter ge-
setzte Bauinschrift zu nehmen.274
Zu dieser Zeit muss sich im Reich Friedrichs III. zumindest punktuell ein tiefer ge-
hendes epigraphisches Verständnis entwickelt haben: Dies betrifft vor allem den
Wiener Pankraz Caspar Bochensvanz, dessen Name aufgrund von Hinweisen in drei
italienischen Handschriften bekannt geworden ist. Er hat nach eigener Aussage die
269 Zu den einzelnen Kommunikationsformen, die bei der Ausdehnung des Humanismus über Italien
hinaus eine Rolle spielten, siehe Paul Oskar Kristeller, Die Verbreitung des italienischen Humanismus
in Europa, in: Ders., Humanismus und Renaissance II, München 1976, 85–100, v. a. 87 ff. Die Unter-
schiede zwischen italienischem und deutschem (d. h. auch österreichischem) Humanismus wur-
den untersucht von Heinrich Ritter von Srbik, Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis
zur Gegenwart I, München/Salzburg 1950, Kap. II: Italienischer und deutscher Humanismus, 47–68.
270 Es möge genügen, zwei der bedeutendsten Vertreter dieser Epoche zu nennen: Johann Müller
(Regiomontanus) und seinen Lehrer Georg von Peuerbach, der 1454 die erste Vorlesung über Ver-
gils Aeneis hielt; siehe u. a. Großmann, Frühzeit des Humanismus 235–254.
271 Ähnlich hohe Studierendenzahlen erreichte diese Universität – durch die starke Förderung Kaiser
Maximilians I. – erst wieder im zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. Vgl. dazu v. a. Paul Uiblein, Die
Wiener Universität, ihre Magister und Studenten zur Zeit Regiomontans, in: Günther Hamann (Hrsg.),
Regiomontanus-Studien (Sitz.-Ber. d. ÖAW, phil.-hist. Kl. 364), Wien 1980, 395–432, sowie Hermann
Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit V: Der
Kaiser und seine Umwelt. Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, Wien 1986, 323–327, und Kurt
Mühlberger, Die Gemeinde der Lehrer und Schüler – Alma Mater Rudolphina, in: Peter Czendes,
Ferdinand Opll (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt I: Von den Anfängen bis zur Ersten Türken-
belagerung, Wien/Köln/Weimar 2001, 319–410, bes. 395 ff.
272 Zum Verhältnis von Thomas Ebendorfer und Enea Silvio Piccolomini zu den Inschriften siehe
Kap. 3.
273 CIL V 525. Mit dieser Inschrift, ihrem historischen Kontext und ihrer Wirkungsgeschichte haben
sich sehr eingehend beschäftigt Ortolf Harl, Alois Niederstätter, Kaiser Friedrich III. als Nachfolger
Caesars: Zwei Inschriften zur Befestigung von Tergeste/Triest, in: Beruf(ung): Archivar. Festschrift für
Lorenz Mikoletzky (MÖStA 55), Wien 2011, 699–725.
274 Siehe vorherige Anmerkung, hier: 713–714.
Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Titel
- Der sogenannte Antiquus Austriacus und weitere auctores antiquissimi
- Untertitel
- Zur ältesten Überlieferung römerzeitlicher Inschriften im österreichischen Raum
- Autor
- Doris Marth
- Verlag
- Holzhausen Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-902976-43-7
- Abmessungen
- 21.4 x 30.2 cm
- Seiten
- 572
- Schlagwörter
- Antiquus Austriacus, Austria, Epigraphy, Humanism, Inscriptions, Manuscript Tradition, Roman Period, Antiquus Austriacus, Epigraphik, Humanismus, Inschriften, Österreich, Römerzeit, Überlieferung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zur historischen Entwicklung der Überlieferung lateinischer, insbesondere norischer Inschriften von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts 19
- 1.1 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung lateinischer Inschriften 19
- 1.2 Anfänge und Vorstufen der Überlieferung norischer Inschriften 23
- 1.3 Berchtold von Kremsmünster und die älteste Abschrift einer norischen Inschrift 26
- 1.4 Die Inschrift CIL III 5630 im Codex membraneus LIV des Stiftes Lambach 36
- 2 Neue Impulse aus Italien: Humanismus und Renaissance als „Geburtsphase“ der lateinischen Epigraphik 40
- 3 Die Ausbreitung und Etablierung humanistischen Gedankengutes im Ostalpenraum aus epigraphischer Sicht 56
- 4 Augustinus Prygl Tyfernus und die norischen Inschriften 99
- 5 Der sogenannte Antiquus Austriacus: Mommsens Pseudonym für den Verfasser der ältesten Sammlung norischer Inschriften 139
- 6 Die Wiener Handschrift CVP 3255* 147
- 7 Der Codex Pragensis XIII G 14 der Národní Knihovna, Prag 162
- 7.1 Das Verhältnis zwischen CP XIII G 14 und CVP 3255*: Eine Inschriftensammlung und ihr Register 170
- 7.2 Folgen aus dem Zusammenhang CVP 3255* – CP XIII G 14 174
- 7.3 Johannes Fuchsmagen und der CP XIII G 14 182
- 7.4 Zur Frage nach den Quellen für den CP XIII G 14 198
- 7.5 Codex Pragensis XIII G 14: Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse und Gesamtbetrachtung 221
- 8 Konrad Peutinger und die norischen Inschriften 228
- 8.1 Peutingers handschriftliche Inschriftensammlungen 230
- 8.2 Johannes Fuchsmagen als Peutingers Gewährsmann 244
- 8.3 Die „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ und die Inschriften von Augustinus Prygl Tyfernus in Peutingers 2° Cod. H 24 246
- 8.4 Zusammenfassung: Der Wert von Peutingers Handschriften für die Überlieferung norischer Inschriften 264
- 9 Johannes Choler und seine Inschriftensammlung 265
- 10 Die „Inscriptiones Sacrosanctae Vetustatis“ von Petrus Apianus und Bartholomaeus Amantius 295
- 10.1 Zur Intention und Gliederung des Werkes sowie zur Nennung seiner Quellen 300
- 10.2 Johannes Choler und die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 301
- 10.3 Die Inschriftensammlungen von Konrad Peutinger und Augustinus Prygl Tyfernus – Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis? 302
- 10.4 Johannes Aventinus als Quelle für die Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 304
- 10.5 Der Codex Pragensis XIII G 14 und sein Verhältnis zu den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 305
- 10.5.1 Das Verzeichnis epigraphischer Abkürzungen im CP XIII G 14 und bei Apianus/Amantius 307
- 10.5.2 Der CP XIII G 14 als Quelle für norische (und oberpannonische) Inschriften bei Apianus/Amantius 311
- 10.5.3 Konsequenzen aus dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem CP XIII G 14 und den Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 330
- 10.6 Parallel verwendete Quellen und mehrfach überlieferte Inschriften bei Apianus/Amantius 337
- 10.7 Zusammenfassende Betrachtungen zur Arbeitsweise von Apianus/ Amantius und Gesamtbewertung der Inscriptiones sacrosanctae vetustatis 345
- 11 Johannes Fuchsmagen und seine epigraphische Sammeltätigkeit 347
- 12 Anhang: Tabellen zur Überlieferung norischer und oberpannonischer Inschriften 376
- Einleitende Bemerkungen und Hinweise zur Benützung 376
- Tab. 12.1: Inschriften bei Paolo Santonino, Cod. Vat. Lat. 3795 379
- Tab. 12.2: Inschriften, die von Augustinus Tyfernus und vom sogenannten Antiquus Austriacus überliefert werden 380
- Tab. 12.3: Im CVP 3255* und CP XIII G 14 enthaltene Inschriften 386
- Tab. 12.4: Inschriften in den Codices von Augustinus Tyfernus im Vergleich mit dem CP XIII G 14 395
- Tab. 12.5: Inschriften-Erstbelege bei „Antiquus Austriacus“, Augustinus Tyfernus und im CP XIII G 14 415
- Tab. 12.6: Inschriften im 4° Cod. H 26 der SuStBA („Picturae“) im Vergleich mit dem CP XIII G 14 425
- Tab. 12.7: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 23 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 427
- Tab. 12.8: Inschriften in Peutingers 2° Cod. H 24 im Vergleich mit dem CP XIII G 14 428
- Tab. 12.9: Inschriften in Cholers CLM 394 im Vergleich mit Peutingers 2° Cod. H 24 und CP XIII G 14 437
- Tab. 12.10: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit Augustinus Tyfernus und Peutingers 2° Cod. H 24 443
- Tab. 12.11: Inschriften bei Apianus/Amantius im Vergleich mit dem CP XIII G 14 475
- Tab. 12.12: „Antiquus-Austriacus-Inschriften“ bei Peutinger, Choler, CP XIII G 14/Fuchsmagen und Apianus/Amantius 490
- Abkürzungs- und Siglenverzeichnis 503
- Quellen- und Literaturverzeichnis 508
- Abbildungsnachweis 539
- Indices 542
- Inschriftenindex 542
- Orts- und Personenindex 548